Machtkampf Iran – Saudi-Arabien

Schiiten in Teheran bauen Regional-Hegemonie aus, Sunniten in Riad halten dagegen, auch militärisch.

Schon knapp nach der US-Militärintervention im Irak 2003 stieß König Abdullah II. von Jordanien eine eindringliche Warnung aus: Der Sturz von Diktator Saddam Hussein würde die Machtbalance im gesamten Mittleren Osten verschieben – zugunsten des Iran und der Schiiten. Er sollte recht behalten. Speziell nach dem Atomdeal mit Teheran in der Vorwoche, der die Isolation des Mullah-Regimes beendet.

Lange zuvor schon hatte der Iran, wie es der Monarch vorhergesagt hatte, seine Einflusssphäre auf den Irak ausgeweitet. Die schiitisch dominierte Regierung drängte die sunnitischen Stämme, die zuvor das Sagen gehabt hatten, komplett an die Wand. Die Reaktion ließ freilich nicht lange auf sich warten. Zunächst in Form des sunnitischen El-Kaida-Terrors, in jüngster Zeit durch das Vordringen des "Islamischen Staates" (IS), der zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits vor den Toren Bagdads stand. Erst durch die massive Intervention des Iran konnte der Sturmangriff abgewehrt werden. Die Schiiten-Milizen gingen danach in die Offensive und konnten den IS-Extremisten nun auch Tikrit wieder entreißen, die Heimatstadt Saddam Husseins. Kommentar des saudischen Außenministers Saud al-Faisal: "Der Iran ist dabei, den Irak zu übernehmen."

Zuvor schon hatte sich der Iran in Syrien an der Seite von Präsident Bashar al-Assad militärisch engagiert. Die Gründe: Erstens ist Damaskus ein alter Verbündeter Teherans und hatte sich im iranisch-irakischen Krieg (1980– 1988) als einziges arabisches Land auf die Seite des Mullah-Regimes geschlagen. Zweitens ist die syrische Machtarchitektur alewitisch geprägt – die Alewiten sind eine sektenartige Ausformung des Schiitentums. Ohne die Hilfe aus Teheran wäre Assad wohl schon längst Geschichte. Eine der zentralen Figuren in diesem Zusammenhang ist der iranische General Qasem Soleimani. Der brillante Militärplaner und Stratege, dem selbst die USA Respekt zollen, mischt übrigens auch im Zweistromland mit.

Die zweite große Stütze des Damaszener Führungszirkels ist die schiitische Hisbollah. Die Miliz, die eigentlich im Libanon angesiedelt ist, hat gut gerüstete Kampfeinheiten in die syrische Schlacht entsandt. Aufgepäppelt wurde und wird die Hisbollah, die Israel vom Norden her bedroht, vom Iran. Unter anderem mit Raketen, die eine Reichweite von 400 km haben. Damit reicht der lange Arm Teherans bis in den Zedernstaat, wo ohne die radikalen Milizionäre gar nichts geht. Den Bogen von Beirut über Damaskus, Bagdad, Teheran bis Bahrain nennt man den "Schiitischen Halbmond".

Derzeit versucht der Iran auf der Arabischen Halbinsel Fuß zu fassen, indem er im Jemen die dortigen schiitischen Houthi-Rebellen unter seine Fittiche nimmt.

Doch damit wird für Saudi-Arabien eine rote Linie überschritten. Eine mit anderen, mehrheitlich sunnitisch dominierten Ländern geschmiedete Militär-Allianz bombardiert die widerborstigen Schiiten. Und das aus zwei Gründen: Zum einen soll dem Hegemonialstreben Teherans Einhalt geboten werden. Zum anderen soll auch der eigenen schiitischen Minderheit signalisiert werden – Aufstand zwecklos. Immerhin müssen sich in Saudi-Arabien 3,6 Millionen Schiiten dem sunnitischen Joch unterwerfen – und das noch dazu in heiklen Erdöl-Fördergebieten. Noch brisanter ist die Lage in Bahrain, wo eine sunnitische Minderheit über die schiitische Mehrheit herrscht. Als sich dagegen im Rahmen des Arabischen Frühlings Protest regte, schickte Riad 2011 kurzerhand Truppen.

Mit der Eskalation im Jemen erreicht der Machtkampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der Region einen Höhepunkt. Er wird zunehmend auch als Glaubenskrieg ausgetragen: Sunniten (mit Riad in der Führungsrolle) versus Schiiten (mit Teheran in der Führungsrolle). Diese Konfrontation ist brandgefährlich und könnte den gesamten Mittleren Osten in Gewalt und Chaos stürzen.

Machtkampf Iran – Saudi-Arabien

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