Kurz im Nahost-Minenfeld

Willkommene Pause für palästinensische Schulmädchen: Außenminister Kurz zu Besuch
Israels Premier richtet Palästinenserpräsidenten ein Ultimatum aus.

Es kommt in Israel nicht oft vor, dass ein Außenminister nicht nur von seinem Amtskollegen und Gastgeber, sondern auch vom Staatspräsidenten und dem Premierminister empfangen wird. Sebastian Kurz wurde diese Ehre zuteil: Am zweiten Tag seiner Israel-Visite traf er eine Stunde mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen – ein Zeichen dafür, wie gut die Beziehungen der beiden Länder seien, wie Kurz sagte.

Netanjahu legte Kurz unter anderem die Lage der verfahrenen Nahost-Gespräche über die von den USA vorangetriebene Zwei-Staaten-Lösung dar. Israel hatte die vereinbarte Freilassung verurteilter palästinensischer Gefangener gestoppt, worauf die Palästinenserführung den Antrag auf Aufnahm in 15 internationale Organisationen stellte. Darauf reagierte Israel mit Wirtschaftssanktionen gegen die Palästinenser – Gespräche, die bis Ende der Woche zu einem Ergebnis hätten kommen sollen, waren damit tot.

"Sie machten aus jeder Freilassung von verurteilten Mördern ein Heldenfest und kamen mit immer neuen Forderungen", so ein Mitarbeiter des Außenministeriums. Dass zuletzt, am Tag der Ankunft Kurz’, Raketen der Hamas aus dem Gaza-Streifen nach Israel abgefeuert wurden, bestätigt Israel in seiner Haltung, zumal die Palästinenserführung in Ramallah gerade Versöhnungsgespräche mit der Hamas begonnen und gestern eine Einigung auf eine gemeinsame Regierung binnen fünf Wochen und Neuwahlen innerhalb eines halben Jahres bekannt gab.

"Hamas oder Israel"

Kurz im Nahost-Minenfeld
epa04176651 Austrian Foreign Minister Sebastian Kurz (L) and Israeli Israeli Prime Minister Benjamin Netanjahu (R) during a meeting in Jerusalem, Israel, 23 April 2014. Kurz is on an official tour of the Middle East. EPA/DRAGAN TATIC
Hamas oder IsraelNetanjahu stellte dazu im Gespräch mit Kurz quasi ein Ultimatum: "Palästinenserpräsident Abbas muss sich entscheiden, will er eine Versöhnung mit der Hamas oder Frieden mit Israel? Er kann nur eines von beiden erreichen." Und was die Hamas betreffe, müsse diese Israel anerkennen und der Gewalt abschwören. Israel sei zu Friedensgesprächen mit der Palästinenserbehörde bereit, sagte Netanjahu und bat Kurz, das auch bei seinem Besuch bei den Palästinensern zu vermitteln.

Am Mittwochnachmittag hatte Kurz die Gelegenheit, die andere Version der unendlichen Geschichte israelisch-palästinensischer Beziehungen zu hören. Er traf im Westjordanland mit dem palästinensischen Verhandlungsführer Saeb Erekat, Außenminister Riyad al Malki und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammen. Die Palästinenser machen die Weigerung der Israelis, weitere Gefangene freizulassen, für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Zuletzt hatte Abbas gedroht, die Palästinenserautonomie in den besetzten Gebieten aufzulösen und "den Schlüssel zurückzugeben" – also die Verantwortung für Verwaltung, marode Wirtschaft, Gesundheitswesen und Erziehung in den Gebieten an Israel zu übertragen. Damit wäre alles in den vergangenen Jahrzehnten zwischen Israel und den Palästinensern Erreichte rückgängig gemacht.

Außenminister Malki bestätigte nach dem Gespräch mit Kurz die Einigung mit der Hamas: "Israel sagte immer, mit wem solle es den verhandeln, mit der Palästinenservertretung oder der Hamas? Künftig ist Präsident Abbas Präsident von beiden." Und Chefverhandler Erekat polterte nach der Begegnung mit Kurz: "Neun Monate haben wir verhandelt, und Israel hat den Siedlungsbau vorangetrieben, Palästinenser getötet" – daher forderten die Palästinenser einen Siedlungsstopp und eine Zweistaaten-Lösung auf Basis des Jahres 1967. Unter diesen Bedingungen, so auch Abbas, seien die Palästinenser bereit, "Vorbereitungsgespräche für die Fortführung der Gespräche" nach der Deadline Ende April zuzustimmen – so sehen Fortschritte auf palästinensisch-israelisch aus.

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