Pressereaktionen zu Merkels 9-Punkte-Plan

Angela Merke bei der diesjährigen Sommer-Pressekonferenz in Berlin.
Was internationale Medien über die Sommer-Pressekonferenz der deutschen Bundeskanzlerin schreiben.

Vor einenm Jahr prägte Angela Merkel mit ihrem "Wir schaffen das" die Berichterstattung von Medien weltweit zum Thema Flüchtingskrise. Ein Jahr später, bei der diesjährigen Bundespressekonferenz, präsentierte Merkel ihren 9-Punkte-Plan zu Sicherheit in Deutschland. Deutsche und internationale Medienreaktionen zu dem Gespräch:

Die Welt (Deutschland)

"Die Bürger schätzen Politiker, die selbst im Sturm einen kühlen Kopf bewahren und erst dann auftreten, wenn sie etwas von Belang zu sagen haben. Helmut Schmidt war ein solcher Politiker. Selbst im 'Heißen Herbst' 1977 verbreitete Schmidt das Gefühl, die Geschicke des Landes in der Hand zu halten und wichtigeres zu tun zu haben, als dem Zeitgeist hinterherzurennen. Merkel ist nicht Schmidt. Vor allem fehlt ihr sein geschliffenes Wort. Doch auch sie strahlte auf ihrer Pressekonferenz eine ruhige Willenskraft aus, die ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Merkel war so selbstsicher, dass sie sogar ihr 'Wir schaffen das' wiederholte. Auch dieser Satz mag in Terrorzeiten Zuversicht schenken. Allerdings verdeckt er, dass die Bundeskanzlerin ihre Politik längst korrigiert hat. Zwar will Angela Merkel ihren Fehler nicht zugeben, wenigstens aber hat sie aus ihm gelernt. Offene Grenzen für alle wird es nicht mehr geben. Zum Glück."

Süddeutsche Zeitung (Deutschland)

"Merkel würde vermutlich auch den Untergang der Titanic oder eine Rückkehr John Lennons von den Toten als 'Bewährungsprobe' oder 'einen interessanten Vorgang' bezeichnen. Als sie danach gefragt wurde, ob sie nicht manchmal erschöpft sei, sagte sie, sie sei nicht 'unterausgelastet'. Wow. Merkel kann, wenn sie sich gerade mal nicht als ANGELA MERKEL fühlt, ganz normal reden. Sie sollte das häufiger und gerade jetzt tun, weil in der Zeit der Äxte und der Rucksackbomben das Vertrauen in ihr Wir-haben-das-schon-immer-so-gemacht-Management stark schwindet."

Frankfurter Allgemeine Tageszeitung (Deutschland)

"Wird durch die neun Punkte (...) tatsächlich etwas überwunden? Die meisten Punkte waren nicht neu. Allenfalls die Stichworte "Bundeswehr" und "Frühwarnsystem" ließen aufhorchen, auch sie litten allerdings darunter, dass die bayerische Staatsregierung mit ihrem Sicherheitskonzept mal wieder schneller war (...). Bayern und die CSU kommen darin wieder auf die Obergrenze und auf den Gedanken von "Transitzonen" in Grenznähe zurück. Beides soll gewährleisten, dass die Sicherheit nicht (...) auf dem Altar der Interessen von Flüchtlingsorganisationen geopfert wird. Merkel scheute davor und vor anderen bayerischen Zumutungen immer zurück, weil sie (...) nicht versprechen wolle, was sie (...) nicht halten könne. Das lässt sich auf viele Fragen anwenden. Aber wenn es um Sicherheit geht, hat selbst die Freiheit der Kanzlerin Grenzen."

La Repubblica (Italien)

"Sie hat nicht mit der Wimper gezuckt. Auch nicht, als sie verantwortlich gemacht wurde für die Attentate in Bayern oder den wachsenden Erfolg der rechtspopulistischen AfD. Aber nach den Tragödien der vergangenen Tage und der Kritik, sich nicht früher an den Orten der Anschlage gezeigt zu haben, hat Angela Merkel sich nun bei ihrer Sommer-Pressekonferenz zu Wort gemeldet. Aber sie hat nicht einen Millimeter nachgegeben gegenüber den martialischen Tönen ihrer bayerischen Verbündeten und der Hysterie der Opposition von rechts. Sie hat den bayerischen Vorschlag, Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuschicken, elegant ignorier, und hat ihr Versprechen von vor einem Jahr, die Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten, nicht verraten."

Hospodarske noviny (Tschechien)

Sie ist aus dem Urlaub zurückgekommen, um ihr übliches "Wir schaffen das" zu sagen: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die als mächtigste Frau der Welt gilt, hat auf der Sonderpressekonferenz am Donnerstag gezeigt, worin ihre Stärke liegt. Sie geht geduldig und hartnäckig ihren eigenen Weg, nämlich in Krisensituationen mit Ruhe und kühler Vernunft Lösungen zu suchen. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama hat bei Reden nach Massakern mehrmals geweint. Angela Merkels Miene bleibt trotz der Toten fest, ohne sichtbare Rührung. Doch Deutschland ist nicht Amerika. Von Politikern erwartet man keine emotionale Teilnahme, sondern Lösungen."

Gazeta Wyborcza (Polen)

"Nach der gängigen in Polen akzeptierten Interpretation der letzten Ereignisse hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im September 2015 entschieden, "etwa eine Million Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Deutschland zu lassen". Seitdem warten viele Polen, vor allem regierungsnahe Publizisten und regierende Politiker, darauf, dass Deutschland diese Entscheidung bereut. Viele Kommentatoren in Deutschland wiederum können nicht erwarten, wann die Polen bereuen, dass die Regierung von Beata Szydlo keine Flüchtlinge aufgenommen hat und die EU-Entscheidung zur Umverteilung torpediert. Seit Oktober 2015 (Wahlsieg der nationalkonservativen PiS-Partei) wächst in Polen die Zahl derer, die die Terroranschläge mit dem Flüchtlingszustrom verbinden und die es erleichtert, dass es in Polen fast keine Muslime gibt. Derzeit ist es in Polen von Islam zu Flüchtlingen und Terrorismus ein Gedankensprung, der eine große Angst vor allem antreibt, das fremd ist. Anzumerken ist, dass dieser Gedankensprung neu ist - verursacht durch die Wahlkampagne."

La Vanguardia (Spanien)

"Die Kanzlerin hat nicht enttäuscht. Sie hat sich sicher präsentiert und ist entschlossen, denjenigen die Stirn zu bieten, die das westliche Wertesystem zerstören wollen (...) Wenn die politische Intelligenz an der Fähigkeit gemessen wird, in der Not Stärke zu zeigen, dann hat Angela Merkel gestern erneut einen Beweis ihrer Führungsqualitäten geliefert. Bei der Verteidigung eines Wertesystems, das trotz aller Hindernisse und Mängel gültig bleibt, darf man keinen Rückzieher machen. Merkel hat ihren europäischen Kollegen den Weg gezeigt."

de Volkskrant (Niederlande)

"Merkel will das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit wahren. Mit diesem Ziel sollen die Sicherheitsdienste enger mit Partnerorganisationen anderer Staaten zusammenarbeiten, sollen abgelehnte Asylbewerber schneller in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, soll der Internetverkehr strenger überwacht und der Waffenhandel gezügelt werden. Doch den Wählern sollte das wohl insgesamt zu dürftig sein. Besonders in Kombination mit der Bekräftigung ihres Spruches 'Wir schaffen das'."

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

"Ihr Auftritt wäre eine Gelegenheit gewesen, den Kompass in der Flüchtlingsfrage etwas zu justieren und wenn nicht Fehler, so doch vielleicht Versäumnisse zuzugeben. Doch Merkel bewegte sich kein Jota. Vielmehr gab sie sich schon fast provozierend pragmatisch: Wenn es ein Problem gibt, dann arbeitet man es ab. So stellte sie einen Neun-Punkte-Plan vor, doch die meisten Maßnahmen - effizienteres Sammeln von Hinweisen zur Radikalisierung, Bemühungen um schnellere Rückführung abgewiesener Asylbewerber - tönen nicht neu. Merkel hält ihren Kurs für richtig: Sie habe im Herbst, als Deutschland die Grenzen öffnete und Hunderttausende von Flüchtlingen ins Land ließ, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.(...) Deutschland dürfe sich nicht aus seiner humanitären Verantwortung stehlen, sagte Merkel gleich mehrfach. Daran zweifelt niemand. Vielmehr fühlt man sich bei solchen Aussagen etwas an die “Energiewende„ erinnert, mit der Deutschland international Vorbild sein will, letztlich aber vor allem sich selbst Kosten aufbürdet. Deutschland kann weder das Weltklima retten noch alle Menschen aufnehmen, die kommen wollen."

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