Front National vor Wahlsieg

Sammelt Anhänger unter Frankreichs Arbeitern: Marine Le Pen
Drei Wochen nach dem Terror von Paris droht dem glücklosen Präsidenten bei einer Lokalwahl ein Polit-Beben. Seine Popularität hielt nicht lange an.

François Hollande steht eine schmerzhafte Rückkehr in den politischen Alltag bevor. Seine souveräne Führungsrolle während der Tage des Terrors in und um Paris hatte seine ansonsten miserablen Umfragewerte mit einem Schlag in die Höhe schnellen lassen.

Aber jetzt bescheinigte eine Umfrage Marine Le Pen, sie würde bei Präsidentenwahlen mit rund 30 Prozent der Stimmen im ersten Durchgang in Führung gehen. Die anschließende Stichwahl würde die Chefin des "Front National" (FN) allerdings verlieren – freilich im Fall eines Duells mit Hollande nur knapp, mit 49 zu 51 Prozent.

Testwahl

Schon an diesem Sonntag findet bei einer Wahl im ostfranzösischen Departement des Doubs ein Test in Realmaßstab statt. Wobei das letzte Mandat, das die absolute Mehrheit der SP in der Nationalversammlung sichert, auf dem Spiel steht.

Diese örtliche Nachwahl ergab sich, weil der bisherige SP-Abgeordnete, Pierre Moscovici, in die EU-Kommission wechselte. Verliert der SP-Nachfolgekandidat die Wahl, wäre das eine Abfuhr sowohl für den sozialliberalen Kurs der SP-Regierung (der Moscovici ursprünglich als Finanzminister angehörte) als auch für die EU wegen des Amts von Moscovici als Wirtschafts-Kommissar.

Der FN hat gute Aussichten, zumindest im ersten Durchgang (die Wahl findet in zwei Gängen, diesen und nächsten Sonntag, statt) Platz eins zu belegen. Der FN hofft von den Nachwehen der Attentate zu profitieren: Auf seinen Plakaten sieht man Kämpfer des Islamischen Staats, die eine französische Landkarte umzingeln.

Es ist aber vor allem der soziale Frust, der dem FN Wähler zutreibt. Diese Industrie-Gegend beherbergt Fabriken des Autoherstellers Peugeot, der wie alle Autofirmen des Landes schwer von der Krise getroffen wurde.

Marine Le Pen, die die Brüssler Sparauflagen geißelt (sie hat den Wahlsieg von Syriza in Griechenland begrüßt) und eine nationalstaatliche Abschottung befürwortet, hat ein beträchtliches Sympathiepotenzial unter jungen Arbeitern.

Zorn der Arbeiter

Eine prominente Sozial-Journalistin, Florence Aubenas, berichtet: Die älteren Arbeiter bei Peugeot hatten noch eine fixe Anstellung, ihre Söhne habe nur mehr atypische Jobs, die immer wieder von Perioden der Arbeitslosigkeit abgelöst werden. Ein älterer Arbeiter sagte: "Wir waren moderne Sklaven, und der Traum unserer Kinder ist es, zumindest diesen Status (des fixen Jobs) zu erreichen."

Der SP-Kandidat versucht den Zorn der Arbeiter mit linken Slogans ("Schluss mit den höllischen Fließband-Rhythmen") abzufangen. Aber die SP-Regierung wird von vielen Wählern aus der Arbeiterschaft für die Verschärfung der sozialen Krise verantwortlich gemacht, oder zumindest als hilflos abgeschrieben. Seit Hollandes Amtsantritt vor fast drei Jahren wuchs die Zahl der Arbeitslosen um 572.000. Um die Situation am Arbeitsmarkt zu verbessern, will die Regierung das Arbeitsrecht lockern, stößt damit aber auf heftigen Widerstand in den eigenen Reihen.

Ein böses Omen gab es während der Wahlkampfversammlung von Premier Valls im Doubs: die Lichter gingen einen Stunde lang aus. Gewerkschafter eines E-Werks hatten den Strom aus Protest gegen eine Reform der Energiewirtschaft gesperrt.

Zwar wird die SP weiterregieren, auch wenn sie ihre absolute Mehrheit im Parlament in Paris verliert, weil sie sich auf die Schützenhilfe einer linksliberalen Kleinpartei verlassen kann. Aber eine derartige Niederlage wäre ein dramatisches Signal am Vorabend weiterer lokaler und regionaler Wahlen in diesem Jahr.

Auf Erfolgskurs: Le Pen

Stärkste Kraft Bei den Europawahlen im Mai ist Marine Le Pens Front National mit 25 Prozent der Wählerstimmen zur stärksten Kraft in Frankreich aufgestiegen. Schon zuvor hatte sie bei den Kommunalwahlen ein Dutzend Gemeinden erobert.

Richtung Mitte Anders als Jean-Marie, ihr Vater und Vorgänger an der Parteispitze, bemüht sich Marine Le Pen um einen gemäßigteren Kurs und vermeidet rechtsextreme Äußerungen. Sie setzt auf EU-Kritik und Ausländerfeindlichkeit.

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