Flüchtlinge: EU setzt auf Afrika-Partnerschaften

Europa-Afrika-Gipfel in Valletta (Malta) im November 2015
Der Flüchtlingsströme will man mit Zuckerbrot und Peitsche für Herkunfts- und Transitläner Herr werden. Kritik übten die österreichischen EU-Abgeordneten am Vorstoß von Sebastian Kurz.

Die EU-Kommission will durch gezielte Partnerschaften mit afrikanischen Ländern die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen. Den Anreiz soll ein Investitionsprogramm liefern, das bis zu 62 Mrd. Euro umfassen könnte. Herkunfts- und Transitländer, die kooperativ sind, sollen belohnt werden, den anderen drohen Strafen.

Die österreichischen EU-Abgeordneten begrüßen den Kommissionsplan am Dienstag in Straßburg zwar grundsätzlich, vermissen aber eine ganzheitliche Migrationspolitik. Strafen lehnen die Abgeordneten aller Couleurs ab.

Masterplan

Die EU brauche einen "Afrika-Masterplan", sagte der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, am Dienstag in Straßburg. Die Migrationswellen seien nicht zu Ende und die größte Herausforderung sei hier Afrika.

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Der Plan, den Kommissions-Vize Frans Timmermans und EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Nachmittag im Europaparlament vorstellen, zielt darauf ab, mit EU-Mitteln Investitionen in den Herkunftsländern der Migranten zu fördern, insbesondere eben in Afrika. Die Idee geht auf den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi zurück. Aus EU-Töpfen sollen allerdings nur 3 bis 6 Mrd. Euro stammen. Zusätzlich will Brüssel den Staaten auch mehr Geld in Aussicht stellen. Aus vorhandenen Mitteln sollen dafür bis 2020 etwa acht Milliarden Euro eingesetzt werden, wie EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos der Zeitung "Die Welt" sagte.

Das Prinzip, die Probleme sozusagen an der Wurzel zu packen, wird zwar seitens der Abgeordneten unisono begrüßt, allerdings mit einigen Einschränkungen. Der SPÖ-Abgeordnete Josef Weidenholzer etwa sorgt sich um Fragen der Rechtsstaatlichkeit und sozialer Standards vieler afrikanischer Länder. Daher sei es fraglich, ob die EU mit solchen Staaten kooperieren solle, wenngleich es auch Vorzeigebeispiele wie Ruanda oder Angola gebe.

Die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Ulrike Lunacek, sprach sich gegen Strafen für Länder aus, die nichts gegen die Migrationsbewegungen tun. "Die EU sollte nicht nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche vorgehen und Kolonialherr spielen", so die Abgeordnete vor österreichischen Journalisten in Straßburg. Ähnlich die Grüne außen- und entwicklungspolitische Sprecherin im Nationalrat, Tanja Windbüchler, in einer Aussendung: Strafandrohungen würden destabilisieren und niemandem nützen. Stattdessen solle sich die EU für Erleichterungen von fairen Freihandelsabkommen mit den afrikanischen Ländern einsetzen.

Hilfe vor Ort

Die liberale EU-Abgeordnete Angelika Mlinar ist für "Hilfe vor Ort", aber gegen Kürzungen von Entwicklungshilfe als Strafmaßnahme. Derzeit würden nur eine Handvoll Länder die Quote für Entwicklungshilfe von 0,7 Prozent des Budgets, meinte Mlinar.

Die EU stößt bei der Flüchtlingsfrage an ihre Grenzen. Unter den Abgeordneten wird der neue Plan auch vor dem Hintergrund gesehen, dass die Kommission bei den Mitgliedsländern ansteht, da viele eine blockierende Haltung haben. "Es ist wirklich an der Zeit, eine ganzheitliche Migrationspolitik zu betreiben. Europa hat bis heute noch keine Einwanderungspolitik im Gegensatz zu Kanada oder Australien", räumte Weidenholzer ein. Auch Karas fand deutliche Worte: "Wir brauchen eine legale Migrationspolitik, legale Zuwanderung. Zur Stunde funktioniert die Migrationspolitik in Europa nicht wirklich." Die Kommission wird heute auch eine Überarbeitung der sogenannten "Blue Card" für Migranten vorstellen. Die Bedingungen, an eine solche Card zu kommen, sollen etwas erleichtert werden, um qualifizierten Migranten legale Wege nach Europa zu öffnen.

Mangelnde Umsetzung

Vieles von dem, was sich die EU vornehme, werde nicht umgesetzt bzw. nur unzureichend, kritisierte Karas. Als Beispiel nannte er die Umsetzung der Beschlüsse des EU-Afrika-Gipfels vom November 2015 in Valletta. Damals wurde ein gemeinsamer Aktionsplan zur Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise verabschiedet und ein Treuhandfonds gegründet. Dieser ist mit 1,8 Mrd. Euro aus dem EU-Budget ausgestattet. Einbezahlt wurden bisher nur 74,19 Mio. Euro. Der Plan, 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland umzusiedeln, gelang bisher nicht - es wurden nur 7.920 Plätze seitens der anderen Mitgliedsstaaten bereitgestellt.

Kurz-Vorschlag stößt bei Karas auf Kritik

Kritik an dem Vorstoß seines Parteikollegen Sebastian Kurz (ÖVP), im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge zurückzubringen oder auf Inseln zu internieren, übte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Kurz' Vorschlag würde internationalem Recht widersprechen.

Karas stimmte mit Kurz darüber überein, dass Europa ein verstärktes Umsiedlungsprogramm brauche, das Beispiel Australien sei aber "schlecht gewählt", räumte Karas in Straßburg vor österreichischen Journalisten ein. "Ich bedauere, dass er das genannt hat, weil es dem Völkerrecht und EU-Recht widerspricht."

Mit dem Anpreisen des australischen Modells können die österreichischen EU-Abgeordneten nichts anfangen. Einzig der EU-Abgeordnete Heinz Becker (ÖVP) bezeichnete den Vorschlag von Kurz als "außerordentlich zielführend". Von Internierung habe er noch nie gehört, er kenne nur das Wort Aufnahmezentrum, sagte Becker.

Grüne entsetzt

Bei den Grünen ist man "entsetzt" über die Aussagen von Kurz. "Internierungslager sind was für Kriminelle. Flüchtlinge sind keine Kriminellen", so die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Ulrike Lunacek. In diesen Lagern herrschten katastrophale Zustände. "Das als Vorbild zu nehmen ist eine Schande für einen österreichischen Außenminister", meinte Monika Vana.

Der SPÖ-Abgeordnete Josef Weidenholzer deutete Kurz' Äußerungen als einen seiner "häufigen Profilierungsversuche". Das hänge wohl mit der Popularität des neuen SPÖ-Bundeskanzlers Christian Kern zusammen, mutmaßte er. Eugen Freund (ebenfalls SPÖ) kritisierte, dass es Kurz weder in seiner Zeit als Integrations-Staatssekretär noch als Außenminister gelungen sei, legale Wege der Einwanderung zu schaffen. "Da ist ihm großes Versäumnis vorzuwerfen."

Kurz hatte seine Linie am Montag verteidigt. "Ich kenne die Kritik, aber das ist nur die halbe Wahrheit", sagte der Außenminister zum harschen Umgang Australiens mit Bootsflüchtlingen. Er sage "nicht, dass die Unterbringung in Australien in Ordnung ist". Europa sollte diesbezüglich "wesentlich besser und menschlicher sein". Wahr sei aber auch, dass auf dem Weg nach Australien mittlerweile keine Flüchtlinge mehr ertrinken und viele legal ins Land gebracht würden.

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