Faymann: "Wo ein Wille ist, gibt es eine Chance"

Eine österreichische Geste der Solidarität mit dem krisengeschüttelten Griechenland: Kanzler Faymann und der „liebe Alexis“, wie der Kanzler den griechischen Premier Tsipras nennt, beim Betreten des Regierungsgebäudes in Athen.
Als erster EU-Regierungschef hat Kanzler Faymann in Athen Premier Tsipras getroffen. Faymann sah ein Land in Krise, zeigte Solidarität, pochte aber auch auf eine Einigung mit Brüssel.

Herr Kanzler, danke, dass Sie zu uns gekommen sind", ruft ein Mann aus dem dritten Stock des Gesundheitszentrums, das Werner Faymann eben besichtigt hat. Im Palast des Staatspräsidenten treffen wir auf eine Frau, die sich als Journalistin ausgibt und meint: "Wenn Europa uns aus dem Euro wirft, dann kommt besser nicht wieder als Touristen." Und sie greift sich dabei mit einem Würgegriff an ihren Hals und verdreht die Augen. Es sind Emotionen, die Griechenland regieren, auf der Straße und in der Politik.

Staatspräsident Pavlopoulos bedankt sich bei Kanzler Faymann dafür, dass er sich Sozialeinrichtungen angesehen hat, die helfen, die Krise zu mildern. 2,5 Millionen Griechen sind inzwischen ohne Krankenversicherung, weil sie länger als ein Jahr arbeitslos sind. Dazu kommen Flüchtlinge, die zum Teil unter freiem Himmel leben.

Das SOS Kinderdorf betreut in mehreren Standorten rund 1000 Familien mit Kleidung, Lebensmitteln und psychologischer Beratung. Es gibt auch ein Zentrum, in dem Kinder wohnen, Waisen und missbrauchte Kinder. Beim Gespräch mit der österreichischen Delegation klagt der Leiter, dass er für das Haus und sogar für Spenden Steuern zahlen muss.

Faymann besucht auch eines der Gesundheitszentren, die durch Sach- und Geldspenden entstanden sind. Hier berichtet Ministerin Theano Fotiou, dass die Regierung Maßnahmen für diejenigen Griechen plant, die aus den Sozialsystemen gefallen sind:

Drei Typen von Karten, in Form von Scheckkarten, wurden entwickelt, mit denen Betroffene Anspruch auf Unterstützung bekommen sollen: Eine Karte soll zum Bezug von Lebensmitteln berechtigen und gleichzeitig Kredite ruhend stellen. Eine andere soll die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ermöglichen, und eine dritte Karte den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen ermöglichen.

Mittelstand rutscht ab

Die Geldmittel, die die Regierung zur Verfügung stellt, beziffert die Ministerin mit 250 Millionen, und sie weiß, dass das viel zu wenig ist. Aber die Regierung steht unter massivem Druck, dem Mittelstand zu helfen, der gerade in großer Zahl in die Armut absteigt. Familien im SOS-Kinderdorf-Zentrum erzählen, dass die notwendigen Lebensmittel mehr kosten als in Österreich und sie ohne Hilfe nicht überleben könnten. Faymann fragt Betroffene, worunter sie am meisten leiden: Dass sie keine Arbeit finden, aber trotzdem für ihre Wohnungen Steuern zahlen müssen, und die Elektrizität zu teuer ist.

Bei Staatspräsident Pavlopoulos kommt Faymann schnell auf die europäische Solidarität zu sprechen. "Wir müssen die richtigen Schlüsse aus dem letzten Jahrhundert ziehen. Wir dürfen nicht nur bei Gedenktagen betonen, dass nur ein gemeinsamer europäischer Weg möglich ist."

Beim Pressegespräch des Kanzlers und des griechischen Premiers Alexis Tsipras versuchte es Faymann mit leichtem Optimismus: "Ich sehe die Lösung noch nicht vor mir, aber wo ein Wille ist, gibt es auch eine Chance."

Kürzungen

Tsipras betonte, Griechenland sei ein souveräner Staat. Seine Regierung habe in vielen Bereichen bereits gespart, bei den Frühpensionen und anderen Sozialleistungen etwa. Von 2010 bis 2014 seien 13 Milliarden Euro dem Versicherungssystem durch Kürzungen entnommen worden. Die Pensionen weiter senken werde er aber nicht.

Kanzler Faymann will von monatlichen Diskussionen über Griechenland wegkommen. Und grundsätzlich: "Die richtige Lehre aus der Geschichte heißt Respekt und Solidarität. Da ist auf europäischer Ebene noch viel zu tun."

Der "liebe Alexis", wie Faymann ihn nennt, ist sehr bemüht darzustellen, dass seine Regierung an Sparmaßnahmen und höheren Einnahmen, etwa durch Besteuerung von Reichen, arbeitet. Aber mit der Austerität, der reinen Sparpolitik, müsse Schluss sein, so Tsipras. Das habe er seinen Wählern versprochen, und das sei überlebenswichtig für sein Land.

Weiterführende Artikel

Das Treffen der Euro-Finanzminister heute, Donnerstag, ist planmäßig das letzte, bevor in knapp zwei Wochen das Hilfsprogramm für Griechenland ausläuft. Doch in Brüssel rechnet kaum noch jemand damit, dass es in dieser Sitzung der Eurogruppe eine Einigung über einen Reformplan geben wird, auf Basis dessen Athen die ausständigen 7,2 Milliarden aus dem Hilfspaket abrufen kann.

"Die Chance, dass wir uns am Donnerstag einigen, ist sehr klein", sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Mittwoch.

Aus Sicht der Eurozone liegt der Ball "eindeutig bei den Griechen", von denen man sich aber keine Bewegung erhofft – jedenfalls noch nicht jetzt. Ohne neue Vorschläge aus Athen könne es aber keine Einigung geben.

Denn, so heißt es in Brüssel, die Geldgeber könnten sich kaum noch weiterbewegen: "Im Vergleich zu jenem Abkommen von Ende Februar, mit dem das griechische Hilfsprogramm um vier Monate verlängert wurde", sagt ein hochrangiger EU-Beamter, "haben sich die Geldgeber schon enorm bewegt, und zwar so weit, dass ich nicht sicher bin, ob das überhaupt noch gut ist."

"Ziemlich entgleist"

Die Verhandlungen seien in den vergangenen Wochen "ziemlich entgleist", sagte Dijsselbloem. Was für einen Deal notwendig sei? "Es geht um die Bereitschaft, schwierige Maßnahmen zu ergreifen." Dazu zähle eine Reform des griechischen Pensionssystems; die Höhe der Schulden und der Plan für ihre Rückzahlung seien nicht die Knackpunkte.

Obwohl die Zeit drängt – eine Einigung mit Athen müsste noch von mehreren nationalen Parlamenten bestätigt werden –, gibt es vorerst keine konkreten Pläne für einen Sondergipfel der Euro-Regierungschefs in den kommenden Tagen. Sollte jedoch Bewegung in die Gespräche kommen und die griechische Regierung neue Pläne vorlegen, sei ein Sondertreffen auf Finanzminister- oder Chef-Ebene jederzeit möglich: "Wenn wir am Freitag um Mitternacht den entscheidenden Anruf bekommen, dann gibt es Samstagmittag ein Treffen", sagt ein Eurozonen-Vertreter.

Premier Tsipras hat stets versucht, die Gespräche auf Chef-Ebene zu heben; zuletzt hat aber sogar Kommissionschef Juncker einen Vermittlungsversuch abgebrochen.

Kommentare