Kurz will Dschihadisten Pass entziehen

Kurz
Engere Kooperation mit muslimischen Staaten gefordert. Kurz will Terroristen ausbürgern lassen.

Draußen, vor der Tür, sind die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen nach den Terror-Anschlägen von Paris und der Zerschlagung einer Zelle mutmaßlicher Terroristen in Belgien in kleinerer und unmittelbarer Form sichtbar: Vor der EU-Kommission patrouillieren belgische Soldaten; der Zugang zum EU-Ratsgebäude auf der anderen Straßenseite wird heute strenger kontrolliert als sonst.

Drinnen, im Ratsgebäude, beraten die Außenminister der 28 EU-Staaten über die größeren, langfristigen Schritte, wie dem Terror beizukommen ist. "Wir müssen mehr Informationen austauschen, mehr kooperieren", sagt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie fordert eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb der Union – aber auch mit den Ländern der muslimischen Welt. Zu diesem Zweck wurde auch der Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten zum Treffen geladen.

Reisepass-Entzug

Außenminister Sebastian Kurz plädiert dafür, per Entzug des Reisepasses den Weg in den Dschihad zu verhindern – und die Zahl der radikalisierten Rückkehrer zu reduzieren. "5000 Menschen aus Europa sind schon in den Kampfeinsatz in den Irak oder nach Syrien gezogen. Insbesondere, wenn diese Menschen zurückkehren, stellen sie ein massives Sicherheitsrisiko dar", sagt Kurz. Mit dem Pass-Entzug erreiche man, "dass Menschen, die mit Terror-Organisationen wie dem IS liebäugeln, erst gar nicht in den Irak oder nach Syrien reisen können".

In Österreich ist der Entzug des Reisepasses bei Terror-Verdacht schon möglich. In Belgien hat die Regierung vergangenen Freitag ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht; in Deutschland will die Regierung zusätzlich den Entzug des Personalausweises für ein bis drei Jahre ermöglichen – dieser reicht für eine Ausreise in die Türkei, von wo aus viele zum IS weiterreisen.

Im Kreis der Außenminister hat Kurz am Montag noch einen weiter reichenden Schritt eingebracht: Terroristen, die für den "Islamischen Staat" kämpfen, sollen auch die Staatsbürgerschaft verlieren. Das würde eine legale Rückreise verunmöglichen, heißt es im Außenministerium gegenüber dem KURIER. Bisher ist das nur bei Doppel-Staatsbürgern möglich, weil es möglichst keine "Staatenlosen" geben soll. Im Ministerium hat man aber eine Lücke ausgemacht: Wer für eine fremde Armee kämpft, dem kann die Staatsbürgerschaft aberkannt werden – auch wenn er dann staatenlos ist. Das könnte auf IS-Kämpfer angewandt werden, heißt es in Kurz’ Kabinett – obwohl der "Islamische Staat" keine international anerkannte Armee ist.

Europa-Abgeordneter Josef Weidenholzer ist Menschenrechtssprecher der Sozialdemokratischen Fraktion und Mitglied des Ausschusses für Innen- und Justizpolitik. Das Europäische Parlament hat volles Mitentscheidungsrecht bei Fragen der Innen- und Justizpolitik. Der KURIER sprach mit ihm über

die geplanten Anti-Terrormaßnahmen der EU - Der islamistische Terror ist eine echte Bedrohung unserer Freiheit. Man kann es mit 9/11 vergleichen. Die Pläne zur Verschärfung der Vorratsdatenspeicherung, die der EuGH mit Recht aufgehoben hat, oder der Fluggastdaten-Austausch, haben den Terror nicht verhindert. Die Anti-Terrormaßnahmen der EU sind Placebo.

Über sinnvolle Strategien der EU - Ich schlage ein Fünf-Punkte-Programm vor. Erstens, die Behandlung und Therapie jesidischer Frauen in der EU. Viele Frauen wurden nach Pakistan, Saudi-Arabien oder Syrien verkauft. Rund 3000 Frauen werden immer noch von der Terrormiliz ISIS (IS) gefangen gehalten. Es muss politischen Druck auf diese Länder geben, die Frauen zu befreien. Zweitens braucht es eine Stärkung der Strukturen in der Autonomen Region Kurdistan. Drittens muss die EU Maßnahmen gegen den illegalen Waffenhandel setzen, wir brauchen eine Harmonisierung der Waffengesetze. Viertens müssen die Geldflüsse an Terroristen unterbunden werden. Die EU-Geldwäsche-Richtlinie muss strikter angewandt werden. Fünftens sind ein Ausstiegsprogramm aus dem Dschihadismus und mehr gut ausgebildete Polizeikräfte erforderlich.

EU-Maßnahmen in Kurdistan - Hier leben fünf Millionen Menschen, dazu kommen zwei Millionen Flüchtlinge. Da tickt eine Bombe. Eine militärische Intervention steht bevor, Flüchtlingsströme werden zunehmen. Die EU-Kommission leistet im Nordirak humanitäre Hilfe im Ausmaß von 60 Millionen Euro und wird ein Büro in Erbil eröffnen. Europa muss sich um sichere Korridore für Schutzsuchende und Flüchtlinge kümmern. Das wäre ein Schlag gegen das Schlepperunwesen und gegen den Menschenhandel.

Büros für Asylwerber in Drittstaaten - Ich unterstütze Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in ihrer Forderung, Asylanträge generell in Drittstaaten zu stellen. Die UNO-Menschenrechtsorganisation UNHCR soll diese Büros übernehmen. Das Dublin-System, das vorschreibt, in jenem EU-Land, das von Flüchtlingen zuerst erreicht wird, den Asylantrag zu stellen, gehört abgeschafft. Wir brauchen eine faire Aufteilung der Flüchtlinge.

Neue EU-Asyl- und Migrationsregelungen - Die EU-Kommission will neue Einreise-Regelungen noch in diesem Halbjahr vorlegen.

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