Deutsche Rüstungsexporte als Glaubenskrieg

Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel.
SPD-Chef Gabriel blockiert die deutsche Rüstungsindustrie, die um ihre Zukunft bangt.

Die Krim war von Russland noch nicht ganz annektiert, da hatte der gerade ins Amt des Wirtschaftsministers gekommene SPD-Chef Sigmar Gabriel schon entschieden: Ein fertiger, von Russland bezahlter mobiler Armee-Gefechtsstand darf nicht geliefert werden. Das geschah im Einverständnis mit Kanzlerin Merkel: Es war Berlins erstes Druckmittel gegen Putin.

Aber seither tut Gabriel in der Rüstungsindustrie viel mehr, als der offenbar recht ist: Er blockiert fast alle Exporte, sein Ministerium erteilt kaum mehr Exportgenehmigungen. Gabriel will Deutschland vom dritten Platz der Waffenexporteure der Welt wegbringen. Ideologische Parole: "Kein Geschäft mit dem Tod" – von der Patrone bis zur waffentragenden Drohne.

Deutsche Rüstungsexporte als Glaubenskrieg
Denn die deutsche Rüstungsindustrie ist so leistungsfähig wie deren zivile Teile und daher auf der ganzen Welt gefragt: Von modernsten Handfeuerwaffen über die legendären Leopard-Panzer bis zu den leisesten U-Booten der Welt. In den deutschen Rüstungsschmieden erwirtschaften 220.000 Beschäftigte bisher ein Prozent des nationalen Exporterlöses. 2013 gab es unter Philipp Rösler, dem FDP-Vorgänger Gabriels im Wirtschaftsressort, Rüstungsexporte um 5,8 Milliarden Euro.

Gabriel aber, der mit seinem Anti-Rüstungskurs im Vorjahr heftig Wahlkampf gemacht hatte, blockiert nun fast alle Exportanträge: 2000 stapeln sich in seinem Haus – ohne Aussicht auf baldige Erledigung. Einzige Ausnahme: U-Boote für Israel.

Was die deutsche Rüstungsindustrie besonders erbittert, ist sein Unterbinden auch kleinster Zulieferungen in der international stark vernetzten Industrie: So lässt er nicht einmal mehr Zündhütchen, Stückpreis unter einem Cent, in Betriebe der Nato-Partner exportieren. Manche Mittelständler sollen laut Handelsblatt mit drei Vierteln ihres Auftragsbestandes blockiert und damit in akuter Existenznot sein.

Und nie traf Gabriels Bannfluch nur Russland, wie ihn deutsche Medien nach dem MH-17-Abschuss nun auflagenträchtig propagieren: Gabriel verhindert alle Ausfuhren außerhalb der Nato und sogar dahin bei Verdacht auf Drittländer-Export.

Widerstand

Angesichts Frankreichs Ungerührtheit, mit der es an der Lieferung von Invasions-geeigneten Hubschrauber-trägern an Russland festhält und auch Großbritanniens weiteren Waffenlieferungen, wächst nun aber der Widerstand in Deutschland. 20 SPD-nahe Betriebsräte warfen Gabriel vor, die deutsche Rüstungsindustrie und ihre Arbeitsplätze zu vernichten.

Zuvor hatte eine Reihe von Unions-Bundestagsabgeordneten "die Kehrtwende Gabriels ohne Abstimmung in der Regierung" kritisiert. Denn für die Genehmigung von Rüstungsexporten wäre der geheim tagende "Bundessicherheitsrat" zuständig, dem die Kanzlerin vorsitzt.

Nun ist der Streit auf höchster Koalitionsebene angelangt: CSU-Chef Horst Seehofer forderte Gabriel auf, die "grundsätzliche Änderung deutscher Politik nicht auf dem Verwaltungsweg" durchzuziehen sondern in der Koalitionsspitze zu bereden: "Dieses Extrem ohne Konzeption und ohne klaren Kompass ist ein faktischer Exportstopp, den könnte ich nicht mittragen."

Noch deutlicher wurde der Chef des Bundestags-Wirtschaftsausschusses Peter Ramsauer (CSU): "Die politische Verschrottung der deutschen Wehrtechnik würde uns anderen ausliefern", nutzte er das häufigste Argument der Rüstungsindustrie.

Die Kanzlerin sprach bisher diskret nur von "unterschiedlichen Bewertungen".

Gabriel bleibt bisher aber dabei: Rüstung sei "kein Instrument der Wirtschaftspolitik sondern der Außen- und Sicherheitspolitik – und sehr schnell ein Geschäft mit dem Tod". Nicht nur die deutsche Rüstungsindustrie unterstellt Gabriel aber offen andere Motive: In Berlin glauben viele, dass er sich an die pazifistische "Linke" anbiedern wolle, um mit ihr ab 2017 leichter koalieren zu können. Dagegen wächst auch in der SPD nun Misstrauen, unter anderem beim um Kompromisse immer ehrlich bemühten Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

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