Bill als Hillarys menschliche Seite

Die Nominierung ist erledigt: Die Demokraten hoben Hillary in Philadelphia auf den Schild, mit Unterstützung ihres Gegners Bernie Sanders
Der Ex-Präsident porträtierte seine Frau als zupackende, einfühlsame Realpolitikerin.

Die ersten beiden Tage des Parteitags der Demokraten in Philadelphia waren eine Hochschaubahn der Gefühle. Das Lager des linken Senators Bernie Sanders und die Anhänger Hillary Clintons lieferten sich Jubelschrei-Duelle, wer lauter sein Idol unterstützt. Vor dem Parteitagsgelände protestierten Sanders-Anhänger gegen Clinton, in der Halle warb Sanders selbst für die Unterstützung Clintons.

Dann folgte am Dienstag am späten Nachmittag Ortszeit eine von Anspannung überlagerte Abstimmung über die Nominierung. Zur Wahl standen Bernie Sanders und Hillary Clinton.

Alphabetisch wurden die Bundesstaaten aufgerufen, um ihre Stimmverteilung bekannt zu geben, von A wie Alabama bis W wie Wyoming. Bei N wie New York hatte Clinton erst 1907 von 2383 nötigen Stimmen. Donald Trump hatte bei New York die Nominierung bereits geschafft, in der Parteitags-Arena der Republikaner eine Woche zuvor war an dieser Stelle Riesenjubel ausgebrochen.

Nicht so bei den Demokraten. Clinton musste sich bis S wie South Dakota gedulden, bis sie die Wahl-Schwelle überschritten hatte. Es folgte allerdings keine Jubel-Unterbrechung, diszipliniert zogen die Demokraten die Abstimmung fertig durch. Am Ende hatte Clinton 2838 Stimmen, Bernie Sanders 1843. Vermont, Sanders’ Heimat, hatte sich mit seiner Willensäußerung an den Schluss reihen lassen. Sanders ergriff das Wort. Anstatt die Stimmen von Vermont bekannt zu geben, nominierte er offiziell Hillary Clinton zur Präsidentschaftskandidatin. Damit fielen ihr formal alle Sanders-Stimmen zu, sie wurde per Akklamation auf den Schild gehoben.

Sanders-Anhänger hatten Tränen in den Augen, manche verließen den Saal, andere protestierten weiter auf der Straße.

Doch der Parteitag jubelte, war doch endlich die sehnlich erwartete Geste der Einigkeit erfolgt. Damit war es aber mit den Gefühlsausbrüchen noch nicht vorbei.

Niemand kennt Hillary

Hillary Clinton gilt in den USA als die berühmteste Person des Landes, die niemand wirklich kennt. Bill Clinton, ihr Ehemann, sollte in seiner Rede vor der Convention das Wesen seiner Frau erklären. Und er tat das exzellent, in einer sehr persönlichen und dennoch politischen Rede.

Drei Heiratsanträge musste Bill Clinton machen, bis sie Ja sagte. Er schilderte auch, wie Chelsea, ihrer beider Tochter, geboren wurde. Und wie Hillary ihm nach einer verlorenen Wahl wieder aufhalf. Sie bewerkstelligte es, den Schulstandard in Arkansas, wo Bill Clinton Gouverneur war, zu verbessern. "Sie hatte immer das Ziel, zu helfen. Dinge besser zu machen. Sie ist nie mit dem Status quo zufrieden, sie will die Dinge immer weiter drehen. Bei jedem Abendessen, bei jedem Mittagessen, bei jedem langen Spaziergang habe ich das gehört. Das ist Hillary. Hillary packt zu, sie ändert die Dinge".

"Hillary ist echt"

Als die beiden die herangewachsene Tochter Chelsea auf der Universität in Stanford ablieferten, "schaute ich beim Fenster hinaus, um die Tränen zu unterdrücken. Hillary suchte verzweifelt nach einer weiteren Lade, um noch Papiersachen unterzubringen". Chelsea ergriff die Initiative und sagte: "Es ist Zeit für euch, zu gehen."

Bill versicherte den Demokraten, dass sie mit der Nominierung seiner Frau die richtige Wahl getroffen hätten. "Echte Veränderung ist Schwerarbeit, manche Leute glauben sogar, es ist langweilig. Aber Hillary ist echt, was sie macht, ist echt, was die Republikaner sagen, ist konstruiert. Hillary kann man in jede Problemzone schicken, und nach einem Monat wird sie es irgendwie geschafft haben, die Dinge besser zu machen."

Bill Clinton war 42. Präsident der USA. Seine Frau will 45. Präsidentin werden.

Bill als Hillarys menschliche Seite
Former President Bill Clinton arrives to speak on Day 2 of the Democratic National Convention at the Wells Fargo Center, July 26, 2016 in Philadelphia, Pennsylvania. / AFP PHOTO / Robyn BECK

Zumindest ein wichtiger Punkt scheint geklärt; „First Gentleman“ wird – im Falle eines Falles – die offizielle Anrede für den ersten Herren, der an der Seite einer Präsidentin im Weißen Haus einziehen wird: Bill Clinton.

Ob Hillary das tatsächlich schafft, hängt maßgeblich von ihm ab. Erst auf dem Parteitag der Demokraten konnte der Ex-Präsident wieder einmal seine Gabe als mitreißender Redner unter Beweis stellen. Er rollte seine Beziehung zu Hillary noch einmal von deren Anfängen an der Universität auf und schaffte es , seiner Frau den menschlichen Anstrich zu geben, mit dem sich die introvertierte Hillary selbst so schwertut. Je länger der Wahlkampf dauert, desto mehr rückt Bill in den Vordergrund. Längst wird auch über mögliche Positionen für den Ex-Präsidenten in Hillarys Regierung spekuliert. So könnte er etwa für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit die Verantwortung übernehmen.

Nicht an den Hebeln der Macht

Eines aber hat Hillary bereits deutlich gemacht, direkt an den Hebeln der Macht, die der Ex-Präsident ja acht Jahre lang bedient hat, soll Bill auf keinen Fall Platz nehmen. Er werde weder an Lagebesprechungen im Situation Room teilnehmen, noch an Treffen des Regierungsteams. Man will auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, dass der einst mächtigste Mann der Welt ständig seiner Frau beim Regieren über die Schulter schaut. Doch auch Bill Clintons Aktivitäten seiner Jahre nach dem Abgang aus dem Weißen Haus könnten eingeschränkt sein. So wird er auch in der Clinton’schen Familienstiftung vorerst nicht mehr aktiv tätig sein, um Verdacht auf politische Korruption gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Eigentlich könnte es der 69-Jährige entspannter angehen: Nach einem Herzinfarkt bekam er einen Vierfach-Bypass und ernährt sich zumindest zeitweise vegan, was ihn auch sichtbar Gewicht verlieren ließ. Doch untätig, so ein Insider in der New York Times, dürfe Clinton nicht sein: „Niemand liebt Politik mehr als er.“

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