Berlusconis Rebellen versöhnlich

Silvio Berlusconi
Die Abtrünnigen legen eine Fraktionsgründung auf Eis. Jetzt warten alle, ob Berlusconi aus dem Senat fliegt.

Nach der abgewendeten Regierungskrise in Italien bemüht sich Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi den Bruch mit den „Dissidenten“ in seiner Partei zu kitten. Der Medienzar traf am Donnerstagvormittag den Chef seiner Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL), Angelino Alfano, der in der Regierung Letta auch Vizepremier und Innenminister ist. Dieser führt Medienberichten zufolge eine Gruppe aus 70 Berlusconi-Parlamentariern, die eine eigene Fraktion im Parlament gründen wollen. Zwar versicherte Alfano, dass die neue Gruppierung im Parlament weiterhin mit Berlusconi verbündet sein werde, das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich ein präzedenzloser Bruch in dem einst felsenfesten Block der PdL-Parlamentarier vollzogen hat.

Auch dem geduldigen Alfano, seit Jahren loyaler „Ziehsohn“ des herrischen Berlusconis, platzte der Kragen, als sein Mentor am Samstag beschlossen hatte, die Regierung Letta stürzen zu wollen. Der Beschluss bedeutet für Berlusconi eine schmerzhafte Spaltung in seiner Partei. Alfano wirft Berlusconi vor, mit einer Handvoll „Hardlinern“ und ohne jegliche interne Debatte am Wochenende den Beschluss gefasst zu haben, die fünf PdL-Minister zurückzuziehen, was de facto eine gefährliche Regierungskrise in Rom ausgelöst hat. Berlusconi sah sich selbst als Opfer eines "Verrats" und Vatermords".

Dialog

Doch ein Drittel der Berlusconi-Mandatare ist laut Medienberichten bereit, sich der neuen Fraktion um Alfano anzuschließen. Die „Dissidenten“ beteiligten sich in der Nacht auf Donnerstag an Gesprächen, bei denen die künftige Strategie diskutiert wurde. Die Beschlüsse wollte Alfano bei einer Pressekonferenz bekannt geben, die er jedoch nach der Flüchtlingstragödie mit über 90 Toten vor der Insel Lampedusa absagte. Auch ein geplantes Treffen Berlusconis mit PdL-Abgeordneten wurde infolge des Dramas vor Lampedusa verschoben. Nach dem Gespräch zwischen Berlusconi und Alfano beschloss die Gruppe der „Abtrünnigen“, vorerst ihre Pläne ad acta zu legen. „Berlusconi signalisiert Dialogbereitschaft, deswegen haben wir unsere Initiative vorerst auf Eis gelegt“, bestätigte der abtrünnige PdL-Abgeordnete Roberto Formigoni am Donnerstag.

Die „Rebellen“ wollen zu den „Falken“ in der Partei auf Distanz gehen, die Berlusconi überzeugt hatten, der Regierung Letta das Vertrauen zu entziehen. Wegen des Widerstands Alfanos und seiner Gefolgsleute gegen eine Regierungskrise musste Berlusconi bei dem Vertrauensvotum im Senat am Mittwoch einen Rückzieher machen und Premier Enrico Letta doch noch das Vertrauen aussprechen. Damit konnte der Regierungschef sein seit knapp fünf Monaten amtierendes Kabinett retten.

Berlusconis Damoklesschwert

Berlusconi machen nicht nur seine abtrünnigen Parlamentarier zu schaffen. Am Freitag tagt die Senatskommission, die über seinen Ausschluss aus dem Parlament entscheiden muss. Bis Ende Oktober wird der gesamte Senat darüber abstimmen, ob Berlusconi infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung seinen Parlamentssitz räumen muss. Bis Mitte Oktober steht Berlusconi vor der blamablen Entscheidung, ob er seine einjährige Haftstrafe unter Hausarrest absitzen, oder ob er Sozialdienst leisten will. Vergebens kämpfte Berlusconi in den vergangenen Wochen um eine „politische Lösung“, die ihm die Demütigung des Parlamentsausschlusses erspare. Selbst die Drohung, die Regierung Letta zu stürzen, half ihm nicht. Eine am Freitag geplante Kundgebung von PdL-Anhängern in Rom, bei der sie ihre Solidarität mit dem rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilten Berlusconi signalisieren wollten, wurde nach den politischen Spannungen in Rom abgesagt.

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