Brüssel-Attentäter war irrer Folterer

Ex-Geisel schildert die Grausamkeiten des heimgekehrten IS-Kämpfers Nemmouche.

Ein Tabu ist gefallen. Seit drei Monaten waren den französischen Sicherheitsbehörden, die folgenden Fakten bekannt, wurden aber aus taktischen Erwägungen und aus Sorge um das Schicksal der 22 westlichen Geiseln, die sich in der Hand des „Islamischen Staats“ (IS) befinden, unter Verschluss gehalten: Der 29 jährige Franko-Algerier Mehdi Nemmouche, der im Mai im jüdischen Museum in Brüssel vier Personen erschoss und anschließend in Marseille festgenommen wurde, hatte sich zuvor in Syrien in den Reihen des IS als perverser Peiniger ausländischer Geiseln und syrischer Gefangener betätigt – gemeinsam mit weiteren Dschihadisten aus Frankreich. In der IS-Hierarchie standen über diesen französischen Kerkermeistern britische Dschihadisten, die mit Web-Recherchen und Verhandlungen betraut waren. Nemmouche brüstete sich mit dem Plan, in Frankreich ein Mega-Attentat am 14.Juli, dem Nationalfeiertag, durchzuführen.

Zehn Monate in Geiselhaft

Alle diese Informationen stammen von vier französischen Journalisten, die im April frei kamen, nachdem sie zehn Monate lang in den Kerkern des IS verbracht und dabei Nemmouche fürchten gelernt hatten. Unmittelbar vor ihrer Freilassung mussten sie der Hinrichtung eines jungen Russen beiwohnen. Damit wollte der IS seine Drohung unterstreichen, dass er sich an den verbliebenen Geiseln rächen würde, sollten die Freigelassenen die Öffentlichkeit über ihre ausgestandenen Qualen informieren.

Chansons und Schläge

Einer der Journalisten, Nicolas Henin vom Magazin Le Point, brach das Schweigen, nachdem die Zeitung Le Monde erste Angaben über die Rolle von Nemmouche in Syrien gemacht hatte. Henin berichtete, wie Nemmouche ihn abwechselnd zusammenschlug und dann wieder einem Quiz über eine beliebte französische TV-Sendung unterzog. Stets auf der Suche nach den Schwächen seiner Gefangenen, traktierte Nemmouche bei einem der Journalisten dessen Bein, das von einer Verletzung (in Gaza) kaum genesen war. Zwischendurch sang Nemmouche französische Chansons.

Folterungen bis zum Morgengrauen

Unvergleichlich schlimmer erging es etwa 80 syrischen Gefangenen, die „dieser Islamische Staat als Gesetzesbrecher betrachtet“, erzählte Henin: „Wenn Nemmouche nicht sang, folterte er. In den Nachbarzellen, wo Syrer festgehalten wurden, löste das Erscheinen von Nemmouche Panik aus. Die Folterungen dauerten die ganze Nacht bis zum Morgengebet. Auf die Schmerzensschreie der Gefangenen folgte manchmal Gebrüll auf Französisch.“ Nemmouche schwelgte gegenüber Henin in sadistischen Schilderungen. "Er sagte: Die Frauen, das ist lustig, zuerst vergewaltige ich sie, dann schneide ich ihnen die Gurgel durch. Du kannst dir gar nicht vorstellen, welches Vergnügen mir das Köpfen von Babys bereitet.

Mordfantasien

Als „größten Franzosen aller Zeiten“, dem er nacheifern wolle, bezeichnete Nemmouche den franko-algerischen El-Kaida-Attentäter Mohammed Merah (23). Dieser hatte 2012 in Südfrankreich drei Soldaten und später in einer jüdischen Schule einen Lehrer und drei Kinder erschossen. Nemmouche erging sich ebenfalls in Mordfantasien gegen jüdische Kinder. Der IS verlangt von seinen Geiseln, sie sollen das „Vater-Unser“ aufsagen, um zu beweisen, dass sie „keine Juden sind“.

Nemmouche wurde im Juli von Frankreich an Belgien ausgeliefert, wo ihm wegen der Morde von Brüssel bis zu 30 Jahre Haft drohen. Bisher hüllte er sich in abolutes Schweigen.

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