Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

Jubelfeiern in Teheran: "Rohani, Zarif, wir danken Euch"
Einigung im Atomstreit: Tausende feiern auf den Straßen von Teheran, Israel sieht sein Überleben gefährdet.

Nach zwölf Jahren Wartezeit gelang gestern die historische Einigung: In Lausanne hat man sich am Gründonnerstag darauf verständigt, dass der Iran seine Atomaktivitäten auf Jahre deutlich begrenzt - im Gegenzug wird der Westen verhängte Wirtschaftssanktionen aufheben; ein bindendes Abkommen wird bis Ende Juni ausgearbeitet (mehr dazu hier).

Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel
U.S. Secretary of State John Kerry (2nd L), U.S. Under Secretary for Political Affairs Wendy Sherman (2nd R) and staff watch a tablet in Lausanne as U.S. President Barack Obama makes a state address on the status of the Iran nuclear program talks, April 2, 2015. A preliminary nuclear deal between Iran and six world powers is a firm basis for a future accord that could end a 12-year nuclear standoff between Tehran and the West, though details must be worked out, Kerry said on Thursday. REUTERS/Brendan Smialowski/Pool TPX IMAGES OF THE DAY
Heute wird bereits heftig über die über die Tragweite und die Auswirkungen der historischen Einigung diskutiert. Die Reaktionen fielen recht unterschiedlich aus - während es in Teheran spontane Jubelfeiern gab, zeigten sich andere Beteiligte eher zurückhaltend. US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Einigung in einer Rede zwar als „historischen Schritt“ – der Durchbruch könnte schließlich als größter Erfolg seiner Amtszeit gewertet werden. Dennoch mied er jeden Jubel; es sei ein "guter Deal", den man da erreicht habe – man habe dem Iran den Griff zur Atomwaffe untersagt, die Welt werde sicherer werden, sagte der US-Präsident in einer Ansprache vor dem Weißen Haus.

Blockade noch möglich

Doch das ist nur eine Seite, die Obama ansprach: Die Unsicherheiten, ob das Regime in Teheran tatsächlich Wort hält, bleiben nämlich. Bei den Republikanern im US-Kongress stieß der Deal dementsprechend auf erhebliche Skepsis – sie können das bis Sommer angestrebte Abkommen jetzt mit ihrer Mehrheit noch blockieren.

Auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Präsident Francois Hollande gaben sich eher zurückhaltend. "Sanktionen, die aufgehoben werden, können wieder verhängt werden, wenn das Abkommen nicht umgesetzt wird", erklärte Hollande.

Auch die iranische Exilopposition kritisierte den Deal als unzureichend, um Teheran vom Bau einer Atombombe abzubringen. "Eine Erklärung von Allgemeinheiten ohne Unterschrift und offizielle Billigung von Khamenei wird niemals den Weg des Regimes zur Erlangung von Nuklearwaffen blockieren", heißt es.

Russland sieht nach dem Durchbruch im Atomstreit dagegen Chancen für eine endgültige Lösung des Konflikts. Die Ergebnisse der Verhandlungen von Lausanne gäben Hoffnung, dass bis zum 30. Juni ein detailliertes Abkommen formuliert werde, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Der saudische König Salman reagierte dagegen zurückhaltend.

Kritik aus Israel

Und aus Israel kamen ohnehin mahnende Worte. Premier Benjamin Netanyahu meinte, die Vereinbarung gefährde das Überleben Israels - erst vor wenigen Tagen habe sich der Iran erneut zur Vernichtung Israels bekannt. Die Vereinbarungen würden den Weg Irans zur Atombombe nicht blockieren, sondern ebnen, sagte Netanyahu in einem Telefonat mit Obama. Das Abkommen ermögliche dem Iran die Entwicklung von Atomwaffen und erhöhe die Risiken eines "furchtbaren Kriegs", erklärte Netanyahu. Er hatte zuletzt auch vor dem US-Kongress dagegen lobbyiert. Ganz und gar nicht begeistert von dem Ende der Isolierung des Iran sit auch Saudi-Arabien - man fürchtet jetzt ein weiteres Erstarken des Erzrivalen in der Region.

Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßten die Einigung, auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO/IAEA) und die Vereinten Nationen (UN/VN) zeigten sich erfreut. Auch Moskau lobte, dass alle Verhandlungsteilnehmer nun "ohne Vorbehalt" Teherans Recht "auf ein friedliches Nuklearprogramm" anerkannt hätten.

"Happy" in Teheran

So euphorisch wie in der iranischen Hauptstadt Teheran wird anderswo aber nicht gewesen sein: Laut Augenzeugen feierten in der Nacht zu Freitag in der ganzen Stadt Zehntausende, mit Hupkonzerten und dem Slogan "Rohani, Zarif, wir danken Euch". Auf die Straßen zog es hauptsächlich Jugendliche.

Aus den Lautsprechern der meisten Autos war das Lied "Happy" des US-Musikers Pharrell Williams zu hören. Ungeachtet der strengen Sittenpolizei tanzten zahlreiche junge Männer und Frauen auf den Straßen zu dem Song und riefen den Refrain "Because I'm Happy" gemeinsam laut heraus – ungeachtet der strengen Sittenpolizei: Erst vor einem Jahr waren sechs junge Iraner für ihre Interpretation des Liedes nämlich verhaftet worden.

Feiern in Teheran:

Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

IRAN SWITZERLAND NUCLEAR TALKS CELEBRATION
Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

IRAN NUCLEAR TALKS SANCTION CELEBRATION
Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

IRAN NUCLEAR TALKS SANCTION CELEBRATION
Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

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Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

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Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

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Atomdeal: Jubel im Iran, Skepsis in Israel

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Das ist ein guter Deal. Er verbaut dem Iran jeden Weg zur Atombombe." Wenn stimmt, was Barack Obama aus der Atomvereinbarung mit dem Iran herausliest, dann ist der Deal tatsächlich die beste Nachricht, die die Weltpolitik seit langem geliefert hat.

Aber der Deal muss in den kommenden Wochen erst im Detail festgezurrt werden. Und die Fallstricke auf dem Weg dorthin sind nicht zu unterschätzen.

Gelegt werden sie von den US-Republikanern, die dem demokratischen Präsidenten eineinhalb Jahre vor den Wahlen keinen Erfolg gönnen und dem Iran nicht trauen. Angefeuert werden sie von Israels Premier Netanyahu, für den Irans Atomprogramm des Teufels ist und der die Mullahs, die Israel beständig mit Vernichtung drohen, auf alle Zeiten in der Sanktionenhölle wissen will. Und da sind die Radikalen im Iran, denen der Jubel der Straße über das bevorstehende Ende der Sanktionen egal ist – sie wollen die Bombe, um als Führungsmacht unantastbar zu sein. Der Machtkampf zwischen ihnen und der gemäßigten neuen Generation ist noch nicht entschieden.

Genau deshalb ist das Abkommen ohne Alternative. Die Welt braucht, gerade in Zeiten der schlechten Nachrichten aus der Region, einen berechenbaren Partner namens Iran. An eine nukleare Aufrüstung Teherans und im Gegenzug Saudi-Arabiens mit Hilfe Pakistans mag man angesichts der gerade entgleisenden Strukturen in der Region gar nicht denken.

Die Sanktionen haben den niederliegenden Iran so weit gebracht, auf den Atomdeal einzusteigen. Jetzt ist es angebracht, Barack Obama hat das erkannt, den Iran mit einem Ende der Sanktionen, mit nicht allzu viel Knebelung und mit einem Vertrauensvorschuss fix an Bord zu holen. Das wäre dann die noch bessere Nachricht.

- Zentrifugen Teheran reduziert deren Zahl von derzeit rund 19.000 um zwei Drittel auf 6000. Mit den Zentrifugen kann Uran angereichert werden, das auch zur Herstellung nuklearen Sprengstoffs verwendet werden kann. Das muss in den kommenden zehn Jahre passieren.
UrananreicherungDie Anreicherung soll nur mehr bis zu knapp vier Prozent erfolgen, zuvor hatte der Iran bis zu 20-prozentig angereichertes Uran hergestellt. 15 Jahre lang soll diese neue Obergrenze gelten, mit der verhindert wird, dass atombombentaugliches Uran produziert wird. Zudem sollen 95 Prozent des bisher angereicherten Urans verdünnt oder außer Landes gebracht werden.

- Überwachung Sämtliche nuklearen Aktivitäten des Mullah-Regimes sollen bis zu einem Viertel Jahrhundert lang durch unterschiedliche Instrumente der Internationalen Atomenergiebehörde mit Sitz in Wien durchleuchtet werden.

- Sanktionen Die Strafmaßnahmen der USA und der EU (Öl- und Gas-Import-Verbot, Banken-Restriktionen etc.) fallen. Sollte sich Teheran aber nicht an die Abmachungen halten, treten die Sanktionen umgehend wieder in Kraft. Obama gestern dazu: §Wenn der Iran betrügt, wird die Welt es wissen.“

- Finalisierung Die technischen Details für das komplizierte Abkommen sollen bis Ende Juni endgültig vereinbart werden.

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