Ägypten wählt neues Parlament

Das zersplitterte Land wählt in drei Etappen - die Opposition ist schwach.

In Ägypten hat am Sonntag die Wahl des neuen Parlaments begonnen, die sich bis Anfang Dezember hinzieht. Die Wahllokale öffneten am Sonntag in 14 der 27 Provinzen. Nach einem zweiten Wahltag am Montag findet dort vom 26. bis 28. Oktober die Stichwahl des ersten Durchgangs statt. In den verbleibenden Provinzen wird am 22. und 23. November sowie in der Stichwahl vom 30. November bis 2. Dezember gewählt. Die Wahl war nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi vor mehr als zwei Jahren immer wieder verschoben worden.

Mehr als 55 Millionen Wahlberechtigte sind zu der Wahl der 596 Abgeordneten aufgerufen, es stehen mehr als 5.000 Kandidaten zur Wahl. Es wird erwartet, dass das neue Parlament von den Anhängern von Staatschef Abdel Fattah al-Sisi dominiert sein wird. Die Opposition ist schwach und zersplittert. Seitdem die islamistische Muslimbruderschaft vor zwei Jahren verboten wurde, gibt es keine politische Gruppierung mehr, die al-Sisi ernsthaft die Stirn bieten kann.

Wenig Pluralismus

Das wichtigste Parteienbündnis nennt sich Für die Liebe Ägyptens und umfasst die Wafd-Partei, die Freien Ägypter sowie frühere Minister und Geschäftsleute. Aus dem islamistischen Lager ist allein die salafistische Al-Nur-Partei zur Wahl zugelassen. Sie hat sich jedoch eindeutig auf die Seite al-Sisis gestellt und die Entmachtung Mursis durch das Militär für gerechtfertigt erklärt.

Fast die Hälfte aller Kandidaten, die auf den Listen stehen, gehörten laut einer Studie früher der Partei des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak an, die inzwischen ebenfalls verboten ist. Die Bewegung der laizistischen Jugend und die Linke, die 2011 wesentlich zum Sturz Mubaraks beitrugen und zu Hoffnungsträgern des Arabischen Frühlings wurden, sind inzwischen geschwächt und werden den Wahlgang teilweise boykottieren. Sie stellen nur rund hundert Kandidaten.

Ägypten ist das bevölkerungsreichste arabische Land. Der etwa eine Million qkm große Staat im Norden Afrikas besteht überwiegend aus Wüste. Ein Großteil der etwa 88 Millionen Einwohner lebt entlang des Nils sowie im Nildelta, die zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt zählen. 90 Prozent sind Muslime, der Islam ist Staatsreligion. Kairo kontrolliert mit dem 1956 verstaatlichten Suezkanal eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Die Kanalgebühren sind eine tragende Säule des ägyptischen Budgets. Der Tourismus, ein weiterer wichtiger Devisenbringer, hat seit der Revolution 2011 stark gelitten. Seit dem Sturz von Langzeit-Herrscher Husni Mubarak im Februar 2011 hat es in Ägypten nur wenige Wahlen gegeben:

Jänner 2012: Islamistische Parteien gewinnen bei der ersten Parlamentswahl der neuen Epoche zusammen mehr als 70 Prozent der 498 Mandate. Stärkste politische Kraft sind die Muslimbrüder mit 45,7 Prozent. Gewählt wurde seit November 2011 in drei Runden.

Februar 2012: Die Muslimbrüder kommen mit 58,3 Prozent der Stimmen auf 105 Sitze in der zweiten Parlamentskammer (Schura). Die radikalislamischen Salafisten erringen 45 Mandate. Die Schura hat 270 Sitze. Ein Drittel wird vom Staatsoberhaupt bestimmt.

Mai 2012: Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl erreichen Mohammed Mursi, der Kandidat der Muslimbruderschaft, und Ahmed Shafik, letzter Regierungschef Mubaraks, die Stichwahl.

Juni 2012: Mursi gewinnt die Stichwahl um das Präsidentenamt. Das Militär setzt ihn Anfang Juli 2013 nach Massenprotesten ab.

Juni 2013: Das Verfassungsgericht erklärt das Wahlrecht, auf dessen Grundlage der Schura-Rat gewählt wurde, für nicht verfassungsgemäß. Übergangspräsident Adli Mansur löst das Oberhaus einen Monat später auf. Bereits im Juni 2012 hatte das Verfassungsgericht das Unterhaus wegen formaler Fehler im Wahlgesetz aufgelöst.

Mai 2014: Der frühere Militärchef Abdel Fattah al-Sisi gewinnt die Präsidentenwahl mit 96,9 Prozent der gültigen Stimmen.

März 2015: Die geplante Parlamentswahl muss verschoben werden. Das Verfassungsgericht hat ein Gesetz über die Einteilung von Wahlkreisen für ungültig erklärt.

17. bis 19. Oktober: Erste Phase der Parlamentswahl, die zweite soll zwischen dem 21. und 23. November folgen.

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