Abtreibungsverbot spaltet Spanien

"Mein Körper, meine Regeln" - Auch Femen beteiligen sich an den Protesten.
Die konservative Regierung will Abtreibungen wieder strafbar machen und damit der mächtigen Kirche entgegenkommen. Kritiker befürchten einen Rückschritt zu den patriarchalen Strukturen der Franco-Zeit und protestieren.

Nein zu klerikalen Gesetzen", steht auf dem Plakat, das eine Frau in der Madrider Innenstadt in die Höhe hält. Neben ihr protestieren hunderte Demonstranten lautstark gegen die geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. "Wir haben ein Recht über unseren eigenen Körper zu entscheiden", rufen sie in die Fernsehkameras.

Selten zeigt sich die Dominanz der katholischen Kirche in Spanien so offensichtlich wie in der derzeit wieder hochkochenden Abtreibungsdebatte. Und noch seltener wird diese so stark von Teilen der Bevölkerung kritisiert. Die Regierung unter Premier Mariano Rajoy will Schwangerschaftsabbrüche erneut strafbar machen – und damit erzkonservativen und klerikalen Kräften im Land entgegenkommen.

Erst 2011 wurde das Abtreibungsgesetz liberalisiert. Seither können Frauen bis zur 14. Woche ohne die Nennung von Gründen straffrei abtreiben. Die damals noch sozialistische Regierung definierte dieAbtreibungals "Recht der Frau auf eine frei entschiedene Mutterschaft" und führte damit Rechtsnormen ein, die zu den liberalsten der Welt gehören. Zum Unverständnis von Abtreibungsgegnern und der katholischen Kirche. "Die Gabe des Lebens hat definitiv und unantastbar zu sein", so der einflussreiche Madrider Erzbischof Rouco Varela, der in Wahlkampfzeiten offen für Rajoys Volkspartei wirbt.

Rückschritt in Diktatur-Zeiten

Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Demonstrationen tausender Abtreibungsgegner. Nicht selten standen klerikale Organisationen hinter den Protestmärschen. Seit dem erneuten Reform-Beschluss kurz vor Weihnachten sind es aber wieder die Abtreibungsbefürworter, die auf die Straße gehen und Parolen rufen.

Denn hinter dem Begriff der 'Gesetzesreform' versteckt sich eine tatsächliche Verschärfung, restriktiver sogar als die Gesetzgebung der 1980er Jahre. Künftig soll eine Abtreibung nur mehr im Fall einer Vergewaltigung und bei gesundheitlicher Gefahr für Mutter und Kind möglich sein – allerdings auch dann nur nach Einholung der Meinung zweier unterschiedlicher Ärzte. Nicht mehr erlaubt wäre die Abtreibung im Falle einer Missbildung des Fötus. Das war in Spanien seit fast drei Jahrzehnten ohne Strafe möglich.

Frauenrechtsorganisationen sind empört und sehen einen Rückschritt zu den patriarchalen Strukturen der Franco-Diktatur. Unterstützt wird die Kritik von der Opposition und einem Großteil der Bevölkerung: 73,3 Prozent der Spanier sind laut einer Umfrage der Tageszeitung El Mundo für den Erhalt der bisherigen Fristenlösung.

Befürworter Le Pen

Nicht nur in Spanien ist man schockiert über die geplante Verschärfung, auch das Ausland reagiert entsetzt. Zu präsent sind noch die Konsequenzen eines Verbots: Zu Diktaturzeiten starben mehr als 400 Frauen jährlich an den Folgen illegal durchgeführter Abtreibungen. Bezeichnend ist wohl, dass der größte Befürworter außerhalb der spanischen Grenzen Jean-Marie Le Pen heißt.

Premier Rajoy und sein Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón verteidigen die neue Regelung hingegen als "ausgewogen". Wie Gallardón betont, sei die Entscheidung über das Leben Ungeborener nicht ausschließlich der Mutter zu überlassen. Die Gleichberechtigungssprecherin der Partei, Sandra Moneo, geht sogar weiter: "Die Abtreibung hat sich zu einer weiteren Verhütungsform entwickelt." Dabei belegen Statistiken, dass die Abtreibungszahlen seit der Liberalisierung nicht steigen, sondern zurückgehen.

Rajoy beruft Parteispitze ein

Am Mittwoch will Rajoy mit führenden Parteimitgliedern den Entwurf erneut beraten. Denn selbst in den eigenen Reihen wurden zuletzt Gegenstimmen laut. So sagt sogar der konservative Präsident der Region Extremadura, Jose Antonio Monago Terraza: "Keine Frau kann man dazu zwingen, Mutter zu werden."

Bevor die Änderung in Kraft tritt, muss sie noch den Kongress – in dem die Volkspartei die Mehrheit hält – passieren. Im Juni könnte es frühestens zur Abstimmung kommen. Davor sind EU-Wahlen und die Regierungspartei darauf bedacht, die Abtreibungsdebatte tunlichst aus dem Wahlkampf zu halten.

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