Die antiautoritäre Gesellschaft – ein Albtraum

Die Institutionen versagen zunehmend - das schafft Platz für dubiose Heilslehren.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wir leben den Traum der einstigen Summerhill-Freunde (wer erinnert sich noch ans angehimmelte Schulmodell aller Spät-Achtundsechziger?): Die antiautoritäre Gesellschaft ist Realität. Leider entwickelt sie sich gerade zum Albtraum. Der damalige Kampf für mündige Schüler (und Bürger) war richtig. Doch die antiautoritäre Erziehung ist gescheitert, und auch sonst ist ein Vakuum entstanden, das Demokratiefeinden nutzt.

Wer ist noch glaubwürdig? Die Politik schon lange nicht mehr, ausgenommen der Bundespräsident. Wobei Wahlkämpfe immer das Potenzial haben, auch noch das künftige Staatsoberhaupt zur Witzfigur zu machen.

Selbst die staatliche Souveränität hat Risse bekommen, seit Polizisten von Flüchtlingen an der Grenze einfach zur Seite geschoben wurden. Immerhin entsinnt sich der neue Verteidigungsminister seiner Aufgaben und zeigt nicht einmal Berührungsängste mit der NATO.

Lichtgestalten an der Spitze von Unternehmen? Gibt es. Aber viele nehmen ihre Führungsaufgaben nicht wahr und verstecken sich hinter Beratungsunternehmen – speziell, wenn es brenzlig wird. Ohnehin haben Wirtschaft, Banken, Kapital, Gewinn, Leistung, oder gar Welthandel ein Imageproblem in Österreich. Wir sehen nur noch die Schattenseiten der Globalisierung, nicht mehr ihre Vorteile: Schließlich hat sie Wohlstand und Ernährungssicherheit gebracht – nicht nur, aber besonders in Europa.

Der Kirche wiederum wird es nicht helfen, ihre alte Bedeutung wiederzufinden, wenn die Bischofskonferenz (in Sachen Panama Leaks) gemeinsame Sache mit den linken Globalisierungskritikern von Attac macht. Dazu passt, dass deren Ex-Sprecher, der "Gemeinwohlökonom" Christian Felber im Schulbuch eines katholischen Verlags in eine Reihe mit Top-Wirtschaftsforschern – von Friedrich Hayek bis Karl Marx – gestellt wird.

Fehlende Leitfiguren

Apropos Schule: Die Lehrer hat man zu Sozialarbeitern gemacht, die nur mehr gut zureden dürfen. Niemand will das Rohrstaberl zurück – aber es braucht Pädagogen mit natürlicher Autorität, die auch einmal zwei raufende Burschen trennen und Regelbrechern die Leviten lesen können. Gerade junge Loser sind von dubiosen Gestalten in der Politik – und manchmal sogar vom IS fasziniert. Wer in Elternhaus, Schule, Politik und Firma keine positiven Leitfiguren findet, ist anfällig für seltsame Heilslehren.

Die Rückkehr einer auf Leistung und Wissen beruhenden Autorität ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig. Die neue Autorität kann sich aber nicht mehr wie früher auf die pure Macht des Amtes verlassen, sondern muss Widerspruch aushalten können. Niemand ist mehr sakrosankt, und das ist auch gut so. Zum Affen machen lassen muss sich deshalb aber auch kein (zukünftiger) Bundespräsident.

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