Bitte nicht deppert reden

Martina Salomon

Martina Salomon

Man kaut selbstzufrieden an Bio-Äpfeln und verteufelt alles " Technisierte".

von Dr. Martina Salomon

über den Wirtschaftsstandort Österreich

Geht es nach dem Wiener Bürgermeister, so lässt sich die Wirtschaft ganz leicht ankurbeln. Sein – diese Woche Richtung Wirtschaftskammer gemünztes – Rezept: "Nicht deppert reden." Da ist was dran, sollte aber dringend auch für Michael Häupls Parteifreunde gelten. Denn der Klassenkampf-Modus, in dem sich viele seit geraumer Zeit befinden, ist ebenfalls nicht dazu angetan, die Wirtschaft anzukurbeln. Ganz im Gegenteil.

Die derzeit so viel zitierte "Willkommenskultur" gibt es zumindest gegenüber der Wirtschaft ganz und gar nicht. Konzerne (die es in Österreich ohnehin kaum gibt) sind Feindbilder geworden. Gar nicht so sehr bei wirklichen Arbeitnehmervertretern. Wenn es ernst wird, haben heimische Betriebsräte meist genug Hausverstand, um der Firma nicht zu schaden.

Alle anderen können es sich (noch) leisten, selbstzufrieden an ihren Bio-Äpfelchen zu kauen und alles "Technisierte, Industrialisierte" zu verteufeln – nicht ohne dessen Segnungen wie Mobiltelefon oder Fernreisen zu genießen. Man mokiert sich über die "Profitorientierung" von Unternehmen, vergisst aber, dass es ohne Profit keine Jobs, nur Pleiten gibt und ohne Kapitalmarkt keine Unternehmensfinanzierung.

Wenn man die Österreicher fragt, was sie an ihrem Land schätzen, dann steht die Landschaft ganz hoch im Kurs, die Wirtschaft nicht. Dabei hat Österreich circa 175 "Hidden Champions", also wenig bekannte Weltmarktführer in bestimmten Sparten. Darunter gar nicht so versteckte wie Doppelmayr oder KTM, aber auch weniger prominente wie Blum (Küchenbeschläge). Ihnen geht es gut. Und auch die steirische Tischlerin oder der Wiener Installateur können mit ihrem Geschäft zufrieden sein.

Menschenleere Fabrik

Doch es gibt riesige Umbrüche am Arbeitsmarkt – im heimischen Bankensektor wurden sie diese Woche gerade zufällig sichtbar. Dort verdient man momentan nichts mehr mit "normalem Kundengeschäft", weil der Markt von billigem Geld überschwemmt ist. Die Digitalisierung hat ein Übriges getan. Wir wissen, dass das "Internet der Dinge" (Industrie 4.0) den Arbeitsmarkt revolutioniert, gute Ausbildung noch wichtiger wird. Die menschenleere Fabrik ist schon Realität.

Der deutsche Philosoph Richard David Precht prognostiziert in den nächsten drei Jahrzehnten den Zusammenbruch der europäischen Autoindustrie mit Job-Verlust für Millionen. Gleichzeitig drängen gerade Zehntausende schlecht Qualifizierte ins Land, mit völlig anderem kulturellen Hintergrund. Im schlimmsten Fall ziehen die gut Ausgebildeten weiter, weil es politisch nicht korrekt wäre, sie gezielt herauszusuchen. Auch wenn das jetzt einen Boom bei Sozialarbeitern und Deutschlehrern auslöst, ist es rätselhaft, warum manche Experten dadurch einen Wirtschaftsaufschwung erhoffen.

Diesen Aufschwung wird es nur geben, wenn wir auch wieder die Industrie anlocken, den Unternehmen keine bürokratischen Prügel zwischen die Beine werfen, und das Sozialnetz überprüfen, damit es für jene hält, die es wirklich brauchen. Firmen profitieren am Standort Österreich von hochproduktiven, (noch) gut ausgebildeten Arbeitnehmern, aber die Kosten sind hoch, das Klima investitionsfeindlich. "Nicht deppert reden" ist eine gute Idee, wird aber wohl nicht reichen.

martina.salomon@kurier.at

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