Die Burka ist eine Tarnkappe für Heuchler

Wer verbieten will, was hierzulande keiner trägt, hat eine "hidden agenda". Über die lohnt es sich, offen zu streiten.
Josef Votzi

Josef Votzi

Die Burka ist eine Tarnkappe für Heuchler

von Josef Votzi

über die Burka

Hand aufs Herz: Haben Sie in den letzten Wochen, jemanden gesehen, dem sie beim besten Willen nicht in die Augen schauen konnten? In den Boulevardblättern sind dieser Tage Frauen in der Burka, der Ganz-Körperverhüllung inklusive Augen-Verschleierung, allgegenwärtig. Der Europäische Gerichtshof hat eine Beschwerde gegen das Burka-Verbot in Frankreich abgewiesen. Seither sorgen Gratis-Blätter tage- und seitenlang billig für Erregung. Selbst Nebendarstellern wie einem grünen Bundesrat werden fette Schlagzeilen eingeräumt, wenn sie passen: "Burka-Frauen sollen nicht hierbleiben" – "Keine Sozialhilfe für Burka-Trägerinnen".

Welchen Sinn macht eine Debatte um ein Burka-Verbot samt Sanktionen ohne Burka-Trägerinnen? Sollen wir auch die Fortbewegung im Handstand verbieten? Die pflegt zwar auch so gut wie niemand, aber würde im Fall des Falles die Kommunikation auch massiv behindern. Hinter dem Ruf nach Verbot eines Kleidungsstück, das allein in islamischen Ländern zu Hause ist, versteckt sich eine ganz andere Debatte – eine "hidden agenda". Nur über die lohnt sich zu streiten, aber offen und ohne Tarnkappe.

Zuvorderst macht sich einmal mehr die FPÖ für ein Burka-Verbot stark. Sie will das Reizthema kommende Woche im Parlament am Kochen halten. Die Burka solle sofort verboten werden, weil sie " Frauen zu Menschen zweiter Klasse macht." Das ist richtig, klingt aber aus blauen Mündern bizarr. Welchem Frauenbild FPÖler nachhängen, hat jüngst die FPÖ-Jugend demonstriert. Sie bewirbt ihre neue Kampagne gegen "Genderwahn" mit Bildern nackter junger Frauen, die in Anspielung an Conchita Wurst proklamieren: "Echte Frauen sehen so aus. Ich brauche keinen Bart, um erfolgreich zu sein."

Billige Geschäfte in Blau und am Boulevard

Das blaue Doppelspiel macht es plastisch: Der Ruf nach dem Burka-Verbot ist eine Tarnkappe für Heuchler. Erst ist es die Burka; dann ist es das Kopftuch; und schließlich sind es die Muslime selber. Über allem steht die geschürte Angst vor der "Islamisierung". Für die Geschäftemacher mit der Angst in Medien und Politik braucht es keine einzige Burka-Trägerin im Lande. Es braucht nur die entsprechende Aufregung. Denn Boulevard und Blau geht es um das lukrative Spiel mit Gefühlen – mit der uns allen nicht fremden Angst vor Fremden.

Es ist und bleibt gut gemeint, aber grundfalsch, die Alltagsprobleme zu ignorieren, die es im Zusammenleben mit Zuwanderern gibt. Diese tragen keinen Schleier, sondern stehen offen vor uns: Etwa als junge Männer in den Städten, die nicht wissen, wohin mit der explosiven Mischung aus Unsicherheit und Aggression. Der künstliche Konflikt um ein Burka-Verbot ändert null daran, dass jeder, der kann, in Wien nachts eine Fahrt in der U6 meidet.

Die mühsame Kleinarbeit der Integration leisten unbedankt viele andere als Blau oder der Boulevard – von Ute Bock bis Sebastian Kurz, von Caritas bis Diakonie. Die Propagandisten für ein Burka-Verbot in Medien und Politik betreiben allein das billige Geschäft mit der Angst.

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