Besinnung ist nötig – in ganz Europa

Wir dürfen jetzt von allen Politikern erwarten, dass sie nachdenken, bevor sie reden. Auch von radikalen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wir dürfen jetzt von allen Politikern erwarten, dass sie nachdenken, bevor sie reden.

von Dr. Helmut Brandstätter

über nötige Besinnung

"Bild hat mitgeschossen", riefen die Demonstranten, und sie skandierten "Springer – Mörder". Nach dem Attentat auf den linken Studentenführer Rudi Dutschke am Gründonnerstag des Jahres 1968, lange vor facebook-hatebook, gab es schon die Debatte darüber, ob Medien ein Klima der Gewalt herstellen, in dem labile Personen zu Verbrechern werden. Der Attentäter, der "du dreckiges Kommunistenschwein" rief, bevor er schoss, hatte übrigens ein Exemplar der rechtsextremen Deutschen Nationalzeitung bei sich. Politische Attentate, ob auf Präsident Lincoln, Thronfolger Franz Ferdinand oder den deutschen Außenminister Rathenau, um nur einige zu nennen, passierten immer in einem gewissen gesellschaftlichen Klima, das von Eliten oder ihnen ergebenen Medien herbeigeführt war.

Der Mörder der britischen Abgeordneten Jo Cox hatte jedenfalls Kontakt zu einer amerikanischen Nazi-Organisation. Inwieweit ihn das beeinflusst hat, wissen wir nicht. Aber das "Britain first", das er gerufen hat, das hat nicht er erfunden. Das kommt von verantwortungslosen Politikern wie dem Ex-Bürgermeister von London, Boris Johnson, der seine politische Karriere auf dem Brexit aufbauen will. Johnson ist es dabei völlig gleichgültig, ob sich britische Unternehmen nach einem Brexit schwertun werden, ob Leute ihren Job verlieren werden. Er will für sich einen Job, den des Premierministers, da ist ihm jede Lüge recht. Etwa der Vergleich der EU mit Hitler. Manche seiner Anhänger wissen vielleicht nicht, dass Hitler ihre Stadt bombardieren ließ, dass die Nazis Großbritannien erobern und besetzen wollten. Oder will er ihnen sagen, dass sie künftig vor EU-Bombern in die U-Bahnschächte flüchten werden müssen? Johnson agiert mit der Berechnung eines Paten, der weiß, dass andere sich die Hände schmutzig machen. Er weiß auch, dass die starke Zuwanderung nach Großbritannien aus dem Commonwealth kommt. Die wird er mit dem Austritt aus der EU nicht stoppen.

Gemeinsam handeln zuerst

Aber dieses Schema zieht sich bei den rechtsaußen agierenden Parteien ja durch,wie wir gerade auch beim Treffen in Wien sahen. Frauen und Männer, die über Vermögen verfügen oder von ihren Parteien gut belohnt werden, also jedenfalls zur finanziellen Elite Europas gehören, erklären ihren Anhängern nur die Nachteile des Gemeinsamen,weil sich in der globalisierten, komplizierten Welt mit Nationalismus prächtig spielen lässt.

" Österreich zuerst", dieser Slogan aus der Haider-Zeit, aus dem ein Schlachtruf wurde, wird inzwischen überall auf das jeweilige Land adaptiert. Logisch zu Ende gedacht würde am Ende jedes noch so kleine EU-Land sich abschotten und zu Gegnern aller anderen werden.

Wäre die EU eine funktionierende Wertegemeinschaft, würden alle Staatschefs vor dem Grab der ermordeten Jo Cox verbale Zurückhaltung schwören. Und alle Extremisten blamieren, die weiter ihr Heil in radikalen Parolen suchen.

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