Dschungelprüfung

Marco Weise

Marco Weise

Über die Jahre entwickelt man eine Hassliebe zur Stadt, in der man lebt. An schönen Tagen, wenn das Sonnenlicht die grauen Fassenden erleuchtet, der Westwind eine Schoko-Duftnote von der Manner-Fabrik über Ottakring und Hernals legt oder man sich in einem Schanigarten einen Spritzwein gönnt, dann ist die Liebe groß. Nicht vorhanden ist sie hingegen an trüben Tagen, an denen der Gang zur Arbeit einer Dschungelprüfung gleicht – ein Parcours voller Hundehaufen, unfreundlicher Menschen und stinkender Autos. Dann, ja, dann will man nur noch eines: umziehen. Nach Innsbruck? Graz? Der Schriftsteller Thomas Bernhard rät davon abüber . Denn „alle diese Städte (…) deprimieren mich auf das Niederschmetterndste und es sind ja auch, vornehmlich Graz, widerwärtige Provinznester, jede für sich hält sich für den Nabel der Welt und glaubt, den Geist gepachtet zu haben, ja, aber es ist nur der ganz primitive Kleinbürgergeist (...). Der üble Geruch bornierter Gemeinheit in diesen österreichischen Kloaken hat mir von vornherein den Appetit auf einen längeren (...) Aufenthalt verdorben“, schrieb er in seiner Erzählung „Beton“.
Dann lieber doch Dschungelprüfung.

Kommentare