über LEBEN: Hundezone

über LEBEN: Hundezone
Guido Tartarotti über mangelndes Unrechtsbewusstsein.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Zunächst wirkt er gar nicht so unangenehm. Seine Sprache klingt höflich, als er ausführt: Auf einer Hundewiese habe sein Hund das Recht, einen Jogger zu beißen, wenn dieser angesichts des Hundes nicht sofort stehen bleibe. In diesem Fall bliebe dem Hund gar nichts anderes übrig, als den Jogger zu jagen und zu beißen. Ich versuche ihm klarzumachen, dass eine Hundezone keinen rechtsfreien Raum darstellt. Er argumentiert des Weiteren, dass 97 Prozent aller Hundebisse nicht aus Aggressivität, sondern aus Angst passierten, die Gebissenen, vor allem Kinder, daher selbst schuld seien. Ich teile ihm in ähnlich höflichen Worten mit, dass ich ihn moralisch wie intellektuell nicht für satisfaktionsfähig halte (um das schöne, aber juristisch problematische Wort Volltrottel zu vermeiden), und dass er und sein Hund grundsätzlich niemals das Recht hätten, einen Menschen zu beißen, ausgenommen zum Schutz von Leben und Eigentum. Aber er lacht nur. Und plötzlich wird mir klar: Der glaubt diesen Blödsinn wirklich. Der hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Ebenso wie der blade Ungustl im St. Pöltner Toyota . . . blad darf man nicht mehr sagen, oder? Also der Horizontalstarke, der abdominal Gehandicapte, der auf der Triester Straße Abfall aus dem Autofenster schmeißt und die Zeugen dieses Vorgangs zufrieden angrinst. Oder der Frühvergreiste, der zwei friedliche Kinder am frühen Abend anbrüllt: "Waunn hot des blede Gequatsche endlich a End?" Oder die Hunderten, die jeden Morgen auf der Linksabbiegerspur am Stau vorbeirasen und sich bei der Ampel über die Sperrfläche wieder reinpressen. Alle spucken, metaphorisch wie buchstäblich, auf die Straße, und finden nichts dabei. Nein, natürlich nicht alle. Sie tun das nicht, ich tue das nicht, unsere Freunde tun das nicht. Aber warum ist dann die ganze Straße vollgespuckt? guido.tartarotti(at)kurier.atwww.guidotartarotti.at

Kommentare