Wenn sich Kicker und Funktionäre im Strafraum bewegen

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Einerseits wurde von Enthüllungsjournalisten bewundernswerte Aufklärungsarbeit geleistet. Andrerseits ...

von Wolfgang Winheim

über den DFB-Skandal

Auch wenn Bayern-Boss Uli Hoeneß, der noch bis März im Häf’n zu nächtigen hat, mit seiner Verurteilung im März 2014 zum unfreiwilligen Vorreiter geworden war – als das Jahr gestürzter Denkmäler wird 2015 in die Fußball-Historie eingehen:FIFA-Präsident Joseph Blatter im Finish seiner 17-jährigen Amtszeit so wie der Präsident der UEFA und 72-fache französische Internationale Michel Platini für 90 Tage gesperrt;

der Deutsche Wolfgang Niersbach, der noch vor wenigen Wochen als die moralische Instanz galt, nach seinem Rücktritt als DFB-Präsident im Spiel um die Blatter- bzw. Platini-Nachfolge aus dem Rennen;

und Franz Beckenbauer sogar von der Bild-Zeitung, die sich seiner Exklusivkolumnen jahrzehntelang gerühmt hatte, zum Abschuss freigegeben.

Einerseits wurde von Enthüllungsjournalisten bewundernswert hartnäckig Aufklärungsarbeit geleistet. Andrerseits schließen sich so manche, die von der Nähe zu Beckenbauer und Günter Netzer profitiert hatten, scheinheilig dem medialen Sperrfeuer an. Als hätten sie nie geahnt, dass selbst für Nationen mit optimaler Infrastruktur à la Deutschland ohne Schmiergelder weder eine Fußball-WM noch Olympia zu bekommen sind.

Parallel zu neuen Details über dubiose Geldflüsse vor der WM-Vergabe 2006 werden Sportfreunde mit Meldungen über Verfehlungen aktueller Stars irritiert.

Frankreichs Torjäger Benzema wird verdächtigt, bei der Erpressung seines in eine Sex-Affäre verwickelten Kollegen Valbuena Komplize gewesen zu sein. Vorsorglich wurde Benzema weder bei Real Madrid noch im Länderspiel gegen Deutschland berücksichtigt.

Über Lionel Messi, dessen argentinischen Landsmann Mascherano und den Brasilianer Neymar berichten Weltagenturen mit auffallender Regelmäßigkeit, sie (bzw. deren Väter oder Manager) hätten die Finanzämter mithilfe undurchsichtiger Barcelona-Verträge um Millionen geprellt.

Als die besagten Herren auf die Welt kamen, herrschten auch in Österreich noch südamerikanische Verhältnisse. Jeder Klub verfügte über eine schwarze Kassa.

Einer der ersten Fußball-Präsidenten, der zur Kenntnis nehmen musste, dass Steuerschnalzen kein Kavaliersdelikt mehr ist, sondern im Gefängnis endet, war Hannes Kartnig.

Gebrochen

Er hatte mit dem SK Sturm im Konzert der Großen mitspielen wollen. Dazu war ihm jeder Trick recht.

2007 baute es Kartnig noch mächtig auf, als es NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll war, der den Steirer nach dessen U-Haft-Entlassung als erster anrief. Auf Ex-Teamchef Josef Hickersberger, der den Ex-Sturm-Boss später in der Anstalt Graz-Jakomini besuchte, machte Kartnig indes schon einen gebrochenen Eindruck.

Kartnig hatte als einziger Klubpräsident das Nationalteam fast zwei Jahrzehnte lang zu jedem Ländermatch begleitet. Er war (u.a. bei der WM in Frankreich) begehrtes Interview-Objekt und in jedem VIP-Klub präsent.

Inzwischen ist es um den ehemals lautesten Funktionär still geworden. Kartnig ist nicht mehr Zellengenosse des Ex-Teamstürmers (und Spielmanipulanten) Sanel Kuljic. Er hat den Rest seiner Haft in Graz-Karlau zu verbüßen, wo er soeben 64 Jahre alt geworden ist.

Mitleid ist unangebracht. Trotzdem lässt es sich nicht mit jedermanns Gerechtigkeitssinn vereinbaren, wenn ein Krimineller (wie kürzlich in Graz passiert) für schweren Raub mit Todesfolge eine unwesentlich höhere Haftstrafe (sieben Jahre) erhält als Hannes K., den Fußball-Leidenschaft zum Bilanzfälscher gemacht hatte.

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