Der große Irrtum mit den Kleinen

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Rapid lehnte ab mit der Begründung, man könne sich nach Steffen Hofmann "nicht noch so einen Kleinen" leisten

von Wolfgang Winheim

über Philipp Lahm

Rapidler und ihr Ex-Meistertrainer Josef Hickersberger werden die Geschichte nicht gern lesen. Aber sie ist verbürgt. Und sie wird hiermit aufgewärmt, weil sie den amtsmüden deutschen Kapitän Philipp Lahm betrifft, auf den sogar Kanzlerin Angela Merkel ein Loblied singt.

Es war im Jahre 2003, zehn Monate bevor Joachim Löw bei der Austria von Frank Stronach hinausgeworfen wurde, als man Rapid das schmächtige Bayern-Talent Philipp Lahm angeboten hatte.

Rapid lehnte ab mit der Begründung, man könne sich nach Steffen Hofmann "nicht noch so einen Kleinen" leisten. Zur Ehrenrettung der Hütteldorfer: Auch in München hieß es, dass Spieler unter 1,80 für die Bundesliga künftig ungeeignet seien. Lahm wurde an den VfB Stuttgart verliehen.

Inzwischen hat der 1,70 Meter kleine Lahm alles gewonnen, was zu gewinnen ist.

Inzwischen hat nicht nur Lahm (mit dem FC Bayern), sondern vor ihm schon der noch kleinere Lionel Messi den Champions-League-Pokal in die Höhe gestemmt.

Inzwischen gewannen die (zuletzt etwas zerzausten) G’stöpseln von Barcelona (Xavi, Iniesta, Pedro, Messi, Sánchez) sämtliche Titel.

Inzwischen bestritt Hofmann 343 Spiele für Rapid.

Inzwischen ist der SV Mattersburg just in jener Saison (2012/’13) abgestiegen, in der die Burgenländer laut internationalen Statistiken die körperlich größte Oberhaus-Mannschaft Europas gestellt hatten.

Inzwischen sind Experten einig: Nur Torleute und Innenverteidiger benötigen Gardemaß ab 1,86. Für andere Positionen sind schnell und ballsicher die wichtigeren Attribute.

Lahm zeichnet darüber hinaus eine außergewöhnliche Konstanz und eine hohe Passgenauigkeit aus, die er nur in der Startphase der WM vermissen ließ. Prompt hagelte es Kritik, die erst nach seiner Rückkehr vom Mittelfeld auf seine angestammte Position als Rechtsverteidiger verstummte.

Fünf Tage nach dem WM-Sieg gab Lahm bekannt, dass sein 113. Länderspiel auch sein letztes war. Und weil Lahm zwar ein Symbol für eine flache Hierarchie ohne Chefanspruch, aber doch auf brav Hochdeutsch der "Spielführer" der Nationalelf war, garantiert die Nachfolger-Diskussion ein mediales Dauertheater. Dabei ist die deutsche Kapitänsfrage ein Luxusproblem.

In Österreich ist das anders. Hierzulande wissen die Kandidaten von Marcel Koller nicht einmal, wann, wo und ob sie heuer noch spielen werden.

Der erste Kapitän, Christian Fuchs, verfügt nach einer Knie-OP bei Schalke über keine Stammplatz-Garantie mehr.

Der zweite Kapitän, Marc Janko, fand noch keinen Klub.

Und Aleksandar Dragovic, der im Finish des letzten Länderspiels erstmals die Kapitänsbinde überstreifen durfte, hat zwar einen (hoch dotierten) Vertrag, aber nur wenig Lust, ihn bis zum letzten Blutstropfen zu erfüllen. Als Gehaltsempfänger von Dinamo Kiew musste er gestern zurück in die Ukraine und damit in eine unsichere Zukunft fliegen.

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