Bittleihe

Die wöchentliche Kolumne von Ulla Grünbacher.
Ulla Grünbacher

Ulla Grünbacher

Liegt vor, wenn nicht mehr als zehn Prozent des ortsüblichen Entgelts geleistet wird.

von Mag. Ulla Grünbacher

über das Prekariat

Es gibt die Möglichkeit, eine Wohnung (fast) unentgeltlich zu überlassen. Doch bei der Umsetzung sind einige Punkte zu beachten.

Der aktuelle Fall: Eine Wohnungseigentümerin überließ einem Bekannten ihre 53 Quadratmeter große, voll möblierte Wohnung, das wurde schriftlich in Form der Bittleihe vereinbart. Im Vertrag steht, dass die Überlassung bis zum Ende der Ausbildung bzw. bis der Berechtigte einen Arbeitsplatz gefunden hat gelten soll, allerding könne der Vertrag jederzeit aufgekündigt werden. Die monatlichen Hausbetriebskosten inklusive Instandhaltungsanteil betrugen rund 1000 Schilling im Monat.

Der Begünstigte schloss sein Studium im Jahr 2001 ab, doch die Wohnungseigentümerin forderte diesen nicht auf, die Wohnung zu räumen. Erst 2013 widerrief sie die unentgeltliche Überlassung. Der Begünstigte weigerte sich jedoch auszuziehen - mit der Begründung, dass es sich bei der Überlassung eigentlich um einen Mietvertrag handle, worauf die Besitzerin die Räumungsklage einbrachte.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Mieter neben den Betriebskosten auch die Instandhaltungskosten gezahlt hatte. Das Berufungsgericht gab der Klägerin recht. Begründung: Die Vereinbarung eines Entgelts schließe eine Bittleihe nicht aus, wenn das Entgelt so gering ist, dass es gegen den Wert der Benützung nicht ins Gewicht falle. Der OGH stellte fest, dass nur dann ein unentgeltliches Rechtsverhältnis vorliege, wenn nicht mehr als zehn Prozent des ortsüblichen Entgelts geleistet wird. Ob das zum Zeitpunkt der Anmietung der Fall war, soll das Erstgericht klären.

ulla.gruenbacher@kurier.at

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