Unsere Wort-Glauberei

Unsere Wort-Glauberei
Sie sagt. Er sagt. Aber was das alles wirklich heißt, ist eine Frage des Know-hows.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

„Eh fesch!“ Typische Antwort auf meine Frage, ob ihm mein neues Outfit gefiele.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

In nur 5 Minuten seine Sprache verstehen – willkommen zum Crashkurs „Der Mann nebenan – was er sagt, und was es wirklich bedeutet.“ Weil es doch so ist, dass das, was er so von sich gibt, meist etwas völlig anderes heißt. Dies zu übersetzen, ist Kunst. Manche Frauen beherrschen sie, manche nicht. Die Nachhilfe für Interessierte.

Verbale Ausweichmanöver

„Eh fesch!“ Typische Antwort auf meine Frage, ob ihm mein neues Outfit gefiele. Bedeutet: „Mir wurscht, es läuft nämlich Real gegen Barca.“ – „Ja, ich erledige das.“ Hier handelt es sich um einen Satz aus dem Genre „Muttis little Helpers“ oder „So stelle ich meine Frau niedrig dosiert ruhig“. Signalisiert rasche Erledigung, heißt nix anderes als „Lass mich bitte im Kraut.“ – „Ich komme sicher vor Mitternacht heim“: Schwindelerregendes Ausweichmanöver auf meine lästige Zeit-Frage. Steht für „Mit mir ist vor drei Uhr Früh nicht zu rechnen und das nicht nüchtern.“ – „Hm, wirklich spannend, aber ich muss jetzt ein bisserl was arbeiten.“ Wird oft angewandt, um meine langatmigen Erzählungen – etwa über den kürzlich gesehenen Problemfilm „Liebe in Zeiten des Klimawandels“ – nachhaltig zu stoppen. – „Hat interessant geschmeckt“. Übersetzt ist das seine Bäh-Wertung des kulinarischen Experiments aus dem Kochbuch „Vegane Köstlichkeiten für jeden Tag“ und bedeutet: „Richtig grauslich war das.“ – Was an dieser Stelle nicht fehlen darf: sein legendäres „Ja, Schatzi, ich hab’ dich auch lieb“. Aus dem Mann-nebenan-Sprech transponiert heißt das: „Ich lieb’ dich eh. Aber wie oft muss ich das jetzt noch sagen, damit du mir’s nach 18 Jahren endlich glaubst?“ – Übrigens: Achtung bei BAKA (Blumengeschenke außerhalb klassischer Anlassfälle). Sie sind keine Liebesgabe, sondern signalisieren zu 99,9 % schlechtes Gewissen.

Facebook: /GabrieleKuhn60

Er

„Frauen lügen nie. Sie erfinden höchstens die Wahrheit, die sie gerade brauchen.“ Mit dem Menschen, der das gesagt hat – es war der Schriftsteller Henry de Montherlant – würde ich gerne ein Achterl trinken. Mit Toast auf Gnä Kuhn. Wo doch auf ihrem Wort-Schatzkisterl der Satz Es ist nicht alles Gold, was glänzt prangt, und ich vermute, dass sie ihre Wahrheiten nach Bedarf im Internet bestellt. Gut, dass ich es beherrsche, das von ihr Gesagte von dem Gemeinten präzise zu unterscheiden.

(Un-)schöner Schein

Man nehme das zeitlose Thema „Zeit“. Ihr Bin in 5 Minuten fertig! muss in den Kuhn’schen Zeitkosmos transponiert werden. In dem gibt es ein schwarzes Loch, wo die Minute 600 Sekunden hat und sich immer noch ein Muss mir nur noch die Wimpern tuschen ausgegangen ist. Glück hat auch, wer ihre Wegen mir brauchst du nicht-Plattitüden einschätzen kann. So locker das Wegen mir brauchst du keinen Wein aus dem Keller holen klingt – es heißt nicht das, was es heißt. Weil der Nachsatz fehlt. Der lautet: ...aber ich hätte schon gerne, dass du es tust. Mach! Alarmstufe Rot heißt es bei ihrem Ehrlich, ich habe keine Lust, darüber mit dir zu streiten Streichen Sie das „ehrlich“ ersatzlos, schon sind wir bei der Wahrheit: dem ultimativen Auftakt zum ultimativen Streit. Weil sie in ihrer Anti-Zwist-Erklärung 23 subtile Vorwürfe platziert hat, auf die sogar ein völlig zugekiffter Yogi mit Wut reagieren würde. Das tut sie nur, um von sich sagen zu können, wie friedliebend sie sei. Und ich es wäre, der mit dem Streit beginnt. Deshalb hat sie von mir auch noch nie Versöhnungsblumen bekommen. Die hebe ich mir für spannendere Anlässe auf.

Paaradox im Rabenhof, 20. 12., 20 Uhr. Buchtipp: „Du machst mich wahnsinnig“ – gesammelte Kolumnen, Verlag Amalthea

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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