Unsere Markttücke

Unsere Markttücke
Die Lust auf das Hüttenwesen gefährdet gerne auch den Weihnachtsfrieden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Er findet den für diese Orte üblichen Bewegungsmodus zum Davonrennen.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Ich bin kein Fan von Traditionen, doch ein gewisses Maß an Beziehungs-Riten darf’s schon sein. Im Frühjahr ist dies der gemeinsame Ausflug in die Gartenabteilung des Baumarkts. Im Winter ruft die Christkindlmarkt-Tradition. So viel Kindischsein gönne ich mir – und dazu den einen oder anderen Glühwein. Der Mann ist von vielem glühender Fan, nicht aber von warmem Wein, außer er wird von einer reschen Blondine abgefüllt. Wobei... – bei genauer Betrachtung fällt auf, dass er keine Art von Markt mag: den Baumarkt nicht, den Gartenmarkt ebenso wenig wie den Textilmarkt. Flohmärkte lösen überhaupt Pustel bei ihm aus.

Holt mich hier raus

Das hat, wie ich vermute, folgende Gründe: Er findet den für diese Orte üblichen Bewegungsmodus zum Davonrennen. Weil ein Bummel immer heikel ist, sehr heikel – und weil damit etwas aus seiner Sicht Grauenhaftes verknüpft ist: absichtsloses Schauen. Wer absichtslos schaut, wird nämlich absichtslos entdecken. Und das wiederum führt zu meiner „Jö, schau bitte, Schatzi“-Begeisterung, die bei ihm „Holt mich hier raus“-Panikattacken bewirkt. Vor lauter Angst, sich mit mir etwa über die Schönheit einer Christbaumkugel unterhalten zu müssen. Der Gedanke, dass er auf eine Frage wie „Sag, findest du dieses mundgeblasene Engerl argentinischer Hochlandindianer lieb?“ nur ein Prozent seines Gehirnstoffwechsels verschwenden müsse, erscheint ihm schlimmer als – tja – ein Tagesausflug bei IKEA an einem Samstag. Ebenso wie der Austausch darüber, ob wir Kletzenbrot aus der Steiermark oder doch Lebkuchen aus Salzburg als Adventmarkt-Erinnerung nach Hause nehmen sollen. Da erwidert er nur: Wurscht, ich find’ beides zum Speiben. Dann doch lieber literweise Glühwein – auch ohne Blondinen.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Wenn meine traditionell sehr besinnliche Frau von vorweihnachtlichem Entzücken gepackt wird und mir dieses wie ein Christbaumnetz überstülpen will, dann sagt sie interessanterweise niemals „toll, schön“ oder gar „bezaubernd“, sondern immer: „Das ist so romantisch!“ Offenbar muss in ihrer Frauen-DNA irgendein Automatismus programmiert sein, der ihr die Gewissheit gibt, mein Herz ließe sich beim Erklingen von „romantisch“ wofür auch immer leichter erweichen. Das ist im Übrigen kein Jahreszeiten-Spezifikum. Sie findet die Frühlingswiese gleichermaßen romantisch wie den Sommerregen, den Herbstspaziergang oder die Wintersonne. Aber natürlich gibt es zahllose saisonale Sub-Impressionen. In der Adventzeit ist demnach ein Kaminfeuer romantisch, auch wenn es draußen zehn Grad plus hat. Und natürlich auch das rituelle Massenteelichterentzünden (das meine Abende täglich mit Massenteelichterlöschaktionen enden lässt). Und verjazzte Weihnachtslieder in Flüstertonlautstärke, inkl. mitsummen.

Zarte Saite

Wer so romantisch veranlagt ist, muss selbstverständlich auch Jahr für Jahr die Weihnachtsmärkte abklappern. Was gar nicht so ein Problem wäre, wäre dieses Ansinnen nicht auch mit der Aufforderung, ich möge doch bitte statt immer so fad lieber auch ein bisserl romantisch sein. Welche zarte Saite das öffentliche Kampfpunschen mit Handwerkskunsthintergrund in mir zum Schwingen bringen soll, konnte sie mir aber noch nie erklären. Egal. Ich esse einfach Würstel und Krapfen und warte, bis ihr endlich kalt ist. Das Erste, was ich übrigens heuer auf dem Christkindlmarkt sah, waren ... echt jetzt ... zwei Lamas: Wow, dachte ich mir – es geht nichts über die gute, alte Wiener Tradition. Lamas auf dem Karlsplatz! Wenn das nicht romantisch ist.

Twitter:@MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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