Der Tag der Trennung

Der Tag der Trennung
Adieu. Er fliegt davon, sie bleibt daheim. Und beide bemerken, was ihnen fehlt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Was vom Manne nebenan übrig blieb: ein einzelner Herrensocken auf dem Badezimmerteppich.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Was vom Manne nebenan übrig blieb: ein einzelner Herrensocken auf dem Badezimmerteppich. Ein Häferl, in dem ein Schluck vom Frühstückskaffee schwimmt – und darin eine Fliege. Und ein Post-it: Melde mich, wenn ich angekommen bin, Bussi. Die Szenerie hat was Melancholisches: Gerade noch da, ist er jetzt fort. Sitzt in einem Flugzeug und regt sich sicher schon irrsinnig darüber auf, dass hinter ihm ein Kind wimmert und vor ihm einer ein After Shave trägt, das „zum Speiben ist“. Und dass ihn ein Steward fragt, ob er schon angeschnallt ist – keine blonde Stewardess. Ich hör’s richtig. Davor wird er ganz sicher endlos lang nach seinem Pass gekramt haben – aber, ätsch, ohne ätzen zu können, ich hätte das Dokument wieder einmal so gut versteckt, dass es er, der Schnitzeljagd-Rekordhalter, nicht finden kann.

So tun, als ob ich ...

Ich werde auch wissen, was ich dann mache: So tun, als würde ich mitfühlen, während jedes einzelne Organ in mir versucht, sich zu entspannen; vor allem jene Region im Gehirn, die für die Affektkontrolle zuständig ist. Aber jetzt so? Wehmut. Er ist weg. Niemand sagt zu mir: Lass das, ich mach schon und niemand ist da, der es dann – wie meist – eh nicht macht. Niemand schaut in ein Handy, ballt die Faust, reckt sie in die Höhe und schreit laut: Yesssss, weil ein mir völlig unbekannter Golfmensch irgendwas gemacht hat, das mir a) völlig fremd und b) völlig wurscht ist. Niemand fragt, was es zum Nachtmahl gibt, obwohl es erst 14.20 h ist. Es fehlt etwas, er fehlt. Ich schaue auf die Uhr, zähle die Zeit. Dann kommt eine WhatsApp von ihm: Sitze im Flieger, in zwei Stunden bin ich wieder daheim, Bussi. Und ich antworte von Sehnsucht zerfetzt: „Super. Wenn du zufällig bei einem Supermarkt vorbeifliegst: Wir brauchen Hundefutter.“

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ich verlasse die Parkgarage, betrete den Terminal und bin ein wenig irritiert. Denn in genau diesem Augenblick fragt mich niemand: „Und wo müss’ma jetzt hin?“ Ich nähere mich in stiller Einsamkeit der Anzeigetafel, auf der ich ganz gelassen in Erfahrung bringe, welches Abfluggate ich ansteuern sollte. Dann spaziere ich in aller Ruhe in das große Zeitungsgeschäft, beginne mich in der wunderbaren Welt der Druckwerke zu verlieren und niemand sagt bereits nach dreizehn Sekunden „Geht sich das eh noch aus?“ Und siebzehn Sekunden später „Ich geh’ auf jeden Fall schon einmal voraus“. Ich erreiche bald danach wie immer pünktlich und mit einem zehnminütigen Puffer bis zum Beginn der Boarding-Zeit die Wartehalle und niemand in meiner näheren Umgebung zweifelt daran, ob die Herdplatte abgedreht wurde. Oder, falsch, anders: Vielleicht zweifeln sogar eine ganze Menge Menschen daran, aber ich werde davon nicht in Kenntnis gesetzt. Ich fliege also ohne die Liebste. Was heißt, dass ich völlig ungerüffelt die Augen verdrehen darf, weil ich das dauerquengelnde Kind hinter und den dauerhustenden Mann neben mir in die Kategorie „Immer ich“ einordne. Nicht zu reden von der Dame vor mir, die mir mit der Sessellehne die Kniescheiben zertrümmern will. Ja, echt, niemand ist da, der kopfschüttelnd Theater macht und zu mir sagt: „Jetzt mach nicht so ein Theater!“

Nachricht

Und als ich am Rückflug-Abend nach der Landung auf mein Handy blicke, lese ich zuallererst ihre Nachricht. Die lautet jedoch nicht „Freu’ mich auf dich“, sondern nur „Wenn du zufällig bei einem Supermarkt vorbeifliegst: Wir brauchen Hundefutter.“ Ich lache laut auf. Und freu’ mich auf sie.

Unser Buch: "Du machst mich wahnsinnig" (Amalthea). Unsere letzten Paaradox-Auftritte im Rabenhof vor dem Sommer: 17. Mai, 28. Mai und 7. Juni (www.rabenhoftheater.com).

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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