Das Scheitern der Berliner ist symptomatisch dafür, was Kent Nagano zuletzt so klar wie wenige zuvor benannte: eine Klassikkrise.

von Gert Korentschnig

über die Nicht-Entscheidung der Berliner Philharmoniker.

Daniel Barenboim, der große Berlin-Kenner, tauchte am Dienstag spontan bei der Präsentation des Fritz-Kreisler-Buches, herausgegeben von Clemens Hellsberg und Oliver Rathkolb, auf. Als er vom KURIER gefragt wurde, wie er die Nicht-Entscheidung der Berliner Philharmoniker kommentiere, sagte er nur: "Sie müssen wissen, was sie tun." Wissen sie das auch wirklich?

Tags zuvor hatten sich die 124 Musikerinnen und Musiker des Eliteorchesters in einer fast zwölfstündigen Sitzung nicht auf einen Nachfolger von Sir Simon Rattle als Chefdirigent ab 2018 einigen können. Nun ist freilich nicht bekannt, was hinter verschlossenen Türen diskutiert wurde (in Wien hätte es sich längst herumgesprochen). Aber offenkundig ist, dass es im Orchester einen Richtungsstreit gibt, dass der logische Mann, Christian Thielemann, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehrheitsfähig ist, und dass auch die Vertreter der jüngeren Generation zu stark polarisieren.

Das Scheitern der Berliner ist jedenfalls symptomatisch dafür, was Kent Nagano zuletzt so klar wie wenige zuvor benannte: eine Klassikkrise. Alle Institutionen suchen neue Wege, sind sich aber über die Transportmittel nicht im Klaren. Die verdienstvolle Generation 70+ gilt nicht mehr als innovativ genug. Und jüngere Dirigenten sind allzu oft PR-Sternschnuppen. Die Ratlosigkeit reicht weit über Berlin hinaus – und Qualität allein in der Welt des Wirrwarrs nicht mehr aus.

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