Es wird schon wieder "Himmel und Hölle" gespielt

Martina Salomon

Martina Salomon

Die lichte Seite gegen das Dunkel(blaue).

von Dr. Martina Salomon

über die Anti-FPÖ-Empörung

Die Hofburg könnte zur "Hofer-Burg" werden. Daher schwappen nicht nur in den sozialen Medien die Empörungswellen langsam wieder so hoch wie 2000, als die Regierung Schüssel angelobt wurde. Die altbekannten Kritiker schließen ihre Reihen dicht. Haben sie aus der damaligen Entwicklung nichts gelernt? Weder Sanktionen noch belehrende Wortspenden europäischer Politiker hatten etwas bewirkt. Die Hyperventilierer von heute fragen auch diesmal nicht nach den Ursachen, sondern spielen Himmel und Hölle. Die lichte Seite gegen das Dunkel(blaue). Das ist gefahrlos, dafür erhält man immer Applaus.

An dieser Stelle muss man übrigens alle Kandidaten für den bisherigen Präsidentschaftswahlkampf loben: Es wurde und wird trotz aller Zuspitzung auf sachlich-unaufgeregtem Niveau diskutiert. Auch bei der KURIER-Debatte vom vergangenen Mittwoch. Das am Gespräch beteiligte Publikum blieb ebenfalls gelassen – ein klares Zeichen demokratischer Reife. Hut ab!

Künstler-Exodus?

Natürlich muss man sich sorgen, dass ein möglicher blauer Präsident bei Auslandsreisen Probleme haben wird, Österreich gut zu vertreten, weil ihn manche Staatsoberhäupter "schneiden" werden. Man kann auch diverse Aussagen (etwa zu Südtirol) seltsam finden. Und sich erinnern, dass manche FPÖ-Minister während ihrer Regierungsbeteiligung wahrlich keine glückliche Figur gemacht haben. Wenn aber österreichische Künstler und Intellektuelle neuerdings wieder behaupten, sie würden bei einem blauen Präsidenten oder Kanzler fluchtartig das Land verlassen, so ist das lächerlich. Man darf daran erinnern, dass manche von ihnen aus weitaus weniger edlen Gründen weggingen, etwa nach Irland. Dort waren Schriftsteller weitgehend von der Steuer befreit. Mit sich selbst sind Teile der künstlerischen Elite des Landes ja ohnehin immer recht nachsichtig. Siehe die (fehlende) Versteuerung von Burgtheater-Tantiemen.

Aber im Gegensatz zum Jahr 2000 gibt es diesmal wenigstens prominente Kritik an der "Selbstgefälligkeit, dieser moralischen Selbstüberhöhung, dieser selbstzweifelsfreien Gewaltsprache, mit der hier Menschen, die ich für intelligent halte, alle Wähler von Norbert Hofer in Bausch und Bogen als Nazis, Pack, Bagage und Abschaum niedermachen": Man muss dem Grazer Schriftsteller Thomas Glavinic für seinen Mut gratulieren, diese Worte öffentlich auszusprechen.

Selbstkritik üben

Auch sein berühmter Autoren-Kollege Gerhard Roth behielt angesichts des ersten Wahlganges die Contenance und meinte: Das habe ihn keineswegs überrascht. Er habe und werde Hofer nicht wählen, sagte Roth in einem Interview mit der Austria Presseagentur. Doch viele sähen das als Protest und Akt der "Notwehr". Es gebe, so der Schriftsteller, sehr viel unsichtbare Armut in Österreich – vom Arbeitslosen bis zum Kleinunternehmer mit Steuerproblemen. Angesichts der Flüchtlingswelle mit ihrer sichtbaren Armut sei die unsichtbare plötzlich als inexistent betrachtet worden. Doch auch sie verdiene Verständnis. Den Regierungsparteien empfiehlt Roth, offen über Probleme zu reden – und "Selbstkritik zu üben".

Dem ist wenig hinzuzufügen. Werner Faymanns Abgang könnte immerhin ein erster Schritt dazu sein.

Kommentare