"Der 9. November war mir damals völlig wurscht."

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Der 9. November war mir damals völlig wurscht.

von Guido Tartarotti

war anderweitig beschäftigt.

Ich weiß, ich sollte jetzt schreiben, dass ich am 9. November mit Tränen in den Augen vor dem Fernseher saß und spürte, wie mir der Wind Of Change den Scheitel zog, und dass ich zu meiner Familie flüsterte, dass jetzt, in dieser Sekunde, Geschichte sich ereigne …

Indes: Mir fehlt das Talent zum Heucheln. Daher gebe ich offen zu: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich am 9. November 1989 war und was ich da gemacht habe, weil mir der 9. November damals völlig wurscht war.

Ich war 21, und das einzige, was mich interessierte, war meine auf unwiderstehliche Weise hochgradig kapriziöse Freundin, ich war also am 9. November vermutlich mit dem beschäftigt, was mich auch am 8. und am 10. November zur Gänze ausfüllte: Die Suche nach der Betriebsanleitung für diese Frau. Vermutlich habe ich außerdem Gitarre geübt, den ich spielte damals in einer Rockband und rechnete jeden Moment mit der Eroberung der Welt. Ansonsten hatte ich, falls Sie das interessiert, lange Haare, fuhr einen mintgrünen 2CV und schrieb für die NÖN Reportagen über zu hohe Bahnsteigkanten.

Irgendwann kurz nach Weihnachten sah ich dann Ceausescu tot in meinem Fernseher herumliegen, und ich weiß noch, dass ich mir dachte „Öha!“ und „Arg!“, aber dann beschäftigte mich die Frage, ob ich den 2CV eh oben auf dem Hügel geparkt hatte, denn der Motor sprang nur mit viel Anlauf an, weil es saukalt war.

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