Wie Forscher künftig Asteroiden abschießen

Die ESA-Sonde beobachtet wie das NASA Geschoss in den Asteroidenmond einschlägt.
Weltraumexperten erklären, wie sie ab 2020 den Kurs eines Objekts ändern wollen.

Ein Hobbyastronom entdeckt einen Asteroiden in der Größe des Bundesstaates Texas, der auf die Erde zurast. Die NASA hat nur 18 Tage, um zu verhindern, dass die Menschheit ausgelöscht wird. Was tun? im Kinofilm "Armageddon" fliegt ein Bohrteam auf den Himmelskörper, um ihn zu sprengen. Typisch Hollywood. In der Realität weiß man aktuell von keinem Asteroiden, der uns gefährlich werden könnte. Doch für den Fall der Fälle wollen die Weltraumexperten gerüstet sein. Forscher der US-amerikanischen- und Europäischen Raumfahrtbehörden NASA und ESA planen den ersten Versuch, Himmelskörper zu beschießen und ihre Bahn umzulenken. Wie das funktionieren soll, erklärten sie bei der "Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU)" im Austria Center Vienna.

Versuchsobjekt

Im Visier des Teams: "Didymos", ein Asteroid mit 800 Metern Durchmesser, der von seinem kleinen Bruder, dem 170 Meter großen Asteroiden-Mond "Didymoon", begleitet wird. 2020 will die ESA eine Beobachtungs-Sonde (AIM) zu "Didymos" schicken. Eineinhalb Jahre wird es dauern, bis sie ihn erreicht. Sie wird ihn solange umkreisen und erforschen, bis das 300 Kilogramm schwere Raumfahrzeug der NASA (DART) ankommt. Im Oktober 2022 soll es auf dem kleinen "Didymoon" einschlagen – um seine Umlaufbahn zu ändern. "Das ist wie Billard spielen", sagt Günter Kargl vom Institut für Weltraumforschung Graz. Er kennt das Projekt seiner Kollegen und erklärt, warum sie sich auf den kleineren Asteroidenmond konzentrieren. "Es ist leichter zu schauen, was das kleinere Objekt im Orbit rund um den anderen Asteroid macht, als zu versuchen, die Bahn des gesamten Asteroiden zu beobachten." Und Kargl weiß, welche Herausforderungen auf das Forscherteam zukommen: "Sie müssen mit den Vorbereitungen pünktlich fertig werden, damit sie das Startdatum nicht versäumen, es gibt nur diese einmalige Gelegenheit, den Asteroiden zu treffen." Vor allem aber müssen NASA und ESA ihre Abläufe synchronisieren und sehr präzise sein. Während das NASA-Raumfahrzeug in den Asteroidenmond stürzt, muss die ESA ihre Sonde im richtigen Winkel positionieren, damit sie alles aufnimmt. Mit Weltraumteleskopen wird man zusätzlich die Veränderungen in "Didymoons" Bahn messen können, erklärt Projektleiter Ian Carnelli.

Der Grazer Weltraumexperte Günter Kargl sieht auch Parallelen zur Rosetta-Mission, bei der 2014 erstmals die Landung auf einem Kometen gelang. Vor allem in puncto Navigation haben die Forscher sich vieles von damals abgeschaut, bestätigt ESA-Forscher Patrick Michel, ebenfalls im Team. Inwiefern das einschlagende Gerät die Umlaufbahn verändert, wird sich zeigen. Laut aktuellen Berechnungen der Forscher soll sie um zirka viereinhalb Minuten verändert werden. Allerdings weiß man noch nichts über die innere Struktur des Asteroidenmondes. Kargl: "Es kann sein, dass er es wie einen Schwamm schluckt und nichts passiert. Die Energie geht verloren, ohne dass sich der Orbit ändert – daraus kann man lernen, ob man entweder höhere Geschwindigkeit oder höhere Masse braucht oder ob man sich etwas anderes einfallen lassen muss." Ähnlich sieht es Patrick Michel. "Es ist ein Trial-and-Error-Projekt. Wir können nur davon lernen, wenn wir auch sehen, was gut oder schlecht läuft." Dass die Sonde ihr Ziel verfehlen kann, schließt er nicht aus.

Auch wenn aktuell keine Gefahr besteht und die Zeit vorbei ist, als Asteroiden auf die noch jungen Planeten Erde, Merkur und Venus einstürzten, hält Kargl den Versuch für notwendig. Immerhin gab es bereits Objekte, die abgestürzt sind, etwa 2013 im russischen Tscheljabinsk – ohne Tote. Aus diesem Grund stehen die sogenannten erdnahen Objekte (Near-Earth Objects, kurz NEOs) schon seit langem unter strenger Beobachtung. Mögliche Kollisionen lassen sich über Jahrzehnte im Voraus berechnen. "Man hat erkannt, dass es schon ein gewisses Risiko gibt. Besonders wenn diese Asteroiden in dichtbesiedelten Gebieten einschlagen würden. AIDA ist das erste Experiment, um zu schauen, was man im Ernstfall tun kann. Einen Bruce Willis raufschicken, der auf dem Asteroid eine Atombombe platziert – das wird sicher nicht passieren."

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