Wenn Händel und Harry richtig durchgerockt werden

Betörende Bilder aus Harry Potters Zauberschule Hogwarts: Händels „Jephtha“ in der famosen Inszenierung von Lydia Steier
Händels Oratorium "Jephtha" bei den Wiener Festwochen – musikalisch und szenisch ein Hit.

Als Geheimtipp hatte Intendant Markus Hinterhäuser diese Produktion im Vorfeld bezeichnet. Und Hinterhäuser hatte recht. Denn so wie bei den Wiener Festwochen im MuseumsQuartier (Halle E) hat man Georg Friedrich Händels 1751 entstandenes Oratorium "Jephtha" noch nie gesehen. In der Inszenierung von Lydia Steier rockt Händel nämlich richtig gut.

Eine endlos lange Lern-Tafel, bedrohliche Nebelschwaden, ein seltsamer Professor, Menschen in biederen Schul-Uniformen, Harry Potters Zauberschule Hogwarts und ein psychologisches Experiment über Grausamkeit, Schuld, Sühne und Menschlichkeit – Regisseurin Steier gelingt die sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Sie führt in Elisabeth Vogetseders klugem Bühnenbild Elemente und Bilder zusammen, die einander scheinbar widersprechen. Steier setzt – die Produktion aus Potsdam war für die dortige Evangelische Friedenskirche konzipiert – auf Nähe und Intimität.

Catwalk

Das Publikum sitzt zweigeteilt an den Rändern der Tafel, die teils auch zum Catwalk der Emotionen wird. Das Orchester – die ausgezeichnete Kammerakademie Potsdam unter der energischen Leitung von Konrad Junghänel – ist in einer Ecke des Raums postiert. Der vorzügliche Chor der Potsdamer Winteroper aber singt und spielt das Publikum direkt an, hebt die Distanz zwischen Zuhörern und Akteuren stets auf. Man ist mitten im Geschehen rund um den Feldherren Jephtha, der in den Krieg zieht, um Kinder ermordende Barbaren zu bezwingen. Der Preis, um siegreich aus einem Massaker hervorzugehen, ist ein Menschenopfer: Die eigene Tochter. Grausamkeit wird mit Grausamkeit bekämpft und mit Grausamkeit bestraft – das ist Botschaft dieser etwas mehr als zweistündigen furiosen Schulstunde.

Um diese noch zu verdeutlichen hat Steier Händels Oratorium (Text: Thomas Morell) kräftig durch den Reißwolf gedreht, radikal eingekürzt (ohne Händel zu verraten) und mit neuen Zwischentexten des Professors versehen. Gesprochen wird auf Deutsch, gesungen auf Englisch, selbstverständlich sind alle Arien und Chöre bis zur Perfektion ganz im Sinne der Musik durchinszeniert.

Und die Sänger nehmen diese Herausforderung grandios an. So gestaltet der Tenor Lothar Odinius einen in jeder Hinsicht beeindruckenden, mit sich und der Welt hadernden Jephtha, der letztlich dem schulischen Psycho-Experiment zum Opfer fällt.

Fabelhaft singt und spielt auch die Sopranistin Katja Stuber als Jephthas Tochter Iphis: Hier ist sie ein verliebter Backfisch, der unfreiwillig schnell erwachsen werden muss. Als ihr Freund Hamor überzeugt der Countertenor Magid El-Bushra; die Altistin Maria Streijffert, Bassbariton Raimund Nolte und die Sopranistin Maria Skiba ergänzen das Team ideal. Ein Sonderlob gebührt Christian Ballhaus als Sprecher. Jubel!

KURIER-Wertung:

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