Menschliche Abgründe unter dem Deckmantel der Komödie

Felix Breisach verzichtet im Bühnenbild von Jens Kilian bei seiner „Figaro“-Neudeutung ganz auf den Einsatz filmischer Mittel
Felix Breisach zeigt ab Samstag seine sehr heutige Sicht auf Mozarts "Le nozze di Figaro".

Geschlafen hat Felix Breisach in den vergangenen Wochen nur wenig. Zu sehr hat den Regisseur und Produzenten Mozarts "Le nozze di Figaro" beschäftigt. 2014 hat der auch für seine Pausenfilme zum Neujahrskonzert bekannte Künstler Dirigent Nikolaus Harnoncourt bei dessen zyklischer Aufführung der Mozart/Da-Ponte-Trilogie im Theater an der Wien für den ORF mit der Kamera begleitet. Mit der Folge, dass Breisach jetzt – allerdings ganz ohne filmische Mittel – Mozarts Meisterwerk selbst in Szene setzt.

"Intendant Roland Geyer hat mich einfach gefragt, und ich habe leichtsinnigerweise ja gesagt", so Breisach im KURIER-Gespräch. "Es ist nämlich purer Leichtsinn, in Wien einen ,Figaro’ zu inszenieren", sagt der Film-und TV-Produzent (zuletzt etwa die Himmler-Doku "Der Anständige") .

Doch wie komisch wird diese "Nozze"? "Gar nicht. Ich kann an diesem Werk absolut nichts Lustiges finden. Jeder lügt, manipuliert oder übt skrupellos Macht aus. Am Ende bleiben lauter verletzte Seelen und gebrochene Menschen zurück. Mozart und Da Ponte haben da im Mäntelchen der Komödie unfassbare menschliche Abgründe offengelegt. Das möchte ich zeigen. Und das viel beschworene Happy-End sehe ich wirklich nicht", erklärt Breisach, der von Harnoncourt "sehr viel über Mozart gelernt" hat.

Schmerz

Menschliche Abgründe unter dem Deckmantel der Komödie
Felix Breisach
"Selbstverständlich" verlegt Breisach seinen "Figaro" in die "ziemlich drastische" Gegenwart. "Ich denke nicht, dass sich Mozart oder Da Ponte freuen würden, diese Oper so sehen zu müssen wie vor etwa 200 Jahren. Dazu sind Text und Musik zu aktuell. Das Werk schmerzt umso mehr, je länger man sich damit auseinandersetzt."

Für welche der Figuren aber hat Breisach die meiste Sympathie? "Für Cherubino, denn er ist der Einzige, der seinen Weg geradlinig geht. Ein Pubertierender, der noch nicht weiß, ob er sich zu Männern oder Frauen hingezogen fühlt, der alles ausprobiert und eine Art Vorläufer des Don Giovanni ist. Wenn wir ehrlich sind, lieben wir doch alle diesen Don Giovanni, weil er in seiner Konsequenz bis zum Äußersten geht."

Witz

Würde es Breisach interessieren, einmal "Giovanni" zu inszenieren? Lachend: "Ich weiß nicht, ob ich nach dem ,Figaro’ noch Aufträge bekomme. Aber im Ernst: Ich würde gern aus Beethovens ,Fidelio’ eine Komödie machen. Ideen dazu hätte ich."

Zur Oper kam Breisach, der im Sommer auch wieder die Bildregie zu "Turandot" und "Hoffmanns Erzählungen" bei den Bregenzer Festspielen machen wird, durch seine TV-Porträts. "Pierre Boulez war meine Initialzündung. Ein unfassbarer, toller Mensch, ein Gigant. Ihm verdanke ich die Liebe zur Oper."

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