Drozda zu Integration, Architektur und Burgtheater

Höchste Akutalität zeichnet den Österreich-Pavillon in Venedig aus
Österreichs Pavillon in Venedig zeigt Projekte in Wien – Minister Drozda dazu im Interview.

Am Mittwoch wurde Thomas Drozda auch als Kulturminister angelobt, am Donnerstag absolvierte er seinen ersten Auftritt in dieser Funktion: Er eröffnete den österreichischen Pavillon bei der 15. Architektur-Biennale in Venedig. Nicht ohne seinem Vorgänger Josef Ostermayer Rosen zu streuen: Ostermayer war es, der Elke Delugan-Meissl als Kommissärin des österreichischen Beitrages ausgewählt hatte. Als er selbst dann auch im Pavillon auftauchte, gab es spontanen Applaus.

"Ich bin tief beeindruckt, wie sich das österreichische Team mit künstlerischen und architektonischen Mitteln mit einem der wichtigsten Themen unserer Zeit beschäftigt", sagt Kulturminister Drozda im KURIER-Interview. Das Thema: Die Flüchtlingsbewegungen nach Europa und die damit verbundenen räumlichen und humanitären Anforderungen.

Vom Krieg an die Front

"Reporting from the front", lautet das Generalthema der Biennale, das von Pritzker-Preisträger Alejandro Aravena ausgerufen wurde. Nachrichten von der Front: Ist Architektur jetzt eine Kriegsfront? Sind Architekten die neuen Kriegsberichterstatter? Ist durch die politischen Entwicklungen das Lagerdenken schon in kriegerische Nähe gerückt (wenn man die jüngste Posting-Unkultur beobachtet, kommt man ja zu dieser Vermutung).

Das Thema wird auf der Biennale jedenfalls auf unterschiedlichste Art und Weise interpretiert, Deutschland und Österreich haben sich nachvollziehbarerweise zur Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsthematik entschlossen. Wobei Österreich – im Gegensatz zu Deutschland, wo es um bereits existierende Projekte geht – radikaler agiert: Elke Delugan-Meissl hat drei Teams eingeladen, Ideen und Konzepte für eine rasche Verbesserung der Lebenssituation der neu Ankommenden zu entwickeln und diese auch innerhalb weniger Monate zu realisieren.

"Das hatten wir schon beschlossen, als es das Generalthema noch gar nicht gab. Etwas anderes hätte uns auch gar nicht interessiert. Es geht doch nicht um die Selbstdarstellung von Architekten, sondern um soziale Projekte für Menschen", erzählt sie gegenüber dem KURIER. Sie hofft auch, dass durch diese Biennale Architektur beweisen kann, wozu sie sozialpolitisch in der Lage ist.

Im österreichischen Pavillon in Venedig werden die Konzepte fotografisch und in Printform dokumentiert, die Realisierung selbst fand bzw. findet jedoch 600 Kilometer nördlich, in Wien statt. Venedig liegt diesmal also irgendwie auch in Wien.

Das Team Caramel Architekten entwickelte in einer Büroimmobilie aus den 1970er-Jahren textile Module, die um je 50 Euro mit 50 Minuten Zeitaufwand aufgebaut werden können und von 280 Bewohnern in der Pfeiffergasse in Wien 15 erprobt werden.

Das Designteam EOOS entwarf für die Unterbringungsstätte in Wien-Erdberg "Social furniture": kostengünstige Möbel für den Selbstbau für die Bereiche Leben, Arbeiten und Kochen.

Und die Architekten von nextEnterprise realisieren in der ehemaligen Siemens-Industriezentrale im Süden Wiens Wohneinheiten für Studenten und junge Geflohene und nützen, zumindest über drei Jahre hinweg, auch die Umgebung. Denn die Flüchtenden von heute sind die Nachbarn von morgen, soll hier gezeigt werden. Caritas-Präsident Michael Landau ist von den Projekten begeistert: "Wenn Menschen ihre Privatsphäre, ihren eigenen Raum bekommen, ist das der erste Schritt zu gelungener Integration." Der österreichische Beitrag ist schon jetzt einer der meistdiskutierten in Venedig und jener am nächsten zur Realität.

Ein Zaun, zwei Seiten

"Was Österreich im vergangenen Jahr geleistet hat, ist wirklich einzigartig", sagt Drozda und verweist auf 800.000 durchs Land begleitete und 90.000 aufgenommene Flüchtlinge. Der Beitrag in Venedig sei auch völlig im Sinn der neuen Regierung. Aber geht es auch um ein Zurechtrücken des Bildes, das Österreich zuletzt in Italien vermittelte (Stichwort Mauern, Zäune am Brenner)? Drozda: "Es geht uns um einen Dialog mit unseren Nachbar. Einseitige Maßnahmen bringen gar nichts. Man kann ein Problem nicht nur auf einer Seite des Zaunes lösen", meint Drozda, der auch Kanzleramtsminister ist. Für 10. Juni hat er ein Treffen mit seinem deutschen Kollegen Peter Altmaier vereinbart. "Wir müssen den Kontakt zum deutschen Kanzleramt reaktivieren."

Und wie kommentiert Drozda den Rechnungshofbericht über das Burgtheater, der zuletzt breit diskutiert wurde? "Ich bin froh, dass es ihn jetzt gibt. Er ist eine gute Grundlage für anstehende Reformen. Ich habe dabei größtes Vertrauen in die handelnden Organe."

Und zu seiner eigenen Rolle – immerhin war er in der Zeit vor Hartmann Geschäftsführer? "Wenn auf 300 Seiten mein Name nur in einer Fußnote auftaucht, ist meine Rolle korrekt berücksichtigt."

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