Wiener Grätzel-Initiative wird zum Vorbild für Brüssel

Karl Brunnbauer (mitte) und seine Mitstreiter aus ganz Österreich sind ein positives Beispiel für die EU.
Aus "Neighbourhood Watcher" gegen Einbrecher wird eine EU-weite Organisation.

Beim heute 68-jährigen Karl Brunnbauer wurde im Jahr 2000 in Wien-Speising eingebrochen. Nachdem in den Jahren 2005 und 2006 auch die Wohnungen seiner beiden Töchter Ziel von Kriminellen waren, gründete er die Initiative "proNACHBAR". Das Ziel: Durch Privatinitiative und mehr Aufmerksamkeit mehr Sicherheit im Grätzel zu schaffen.

Heute umfasst die Initiative in Österreich 6000 Mitglieder und steht nun selbst unter "Beobachtung" – nämlich durch die EU, die ein Projekt zur Erforschung von privaten Sicherheitsinitiativen betreibt. Die Österreicher werden als vorbildhaft empfunden. Deshalb wird im Oktober in Wien die "European Neighbourhood Watch Association (EUNWA) gegründet, in der sich alle Sicherheits-Bürgerinitiativen Europas vernetzen sollen.

Gegenmodell

"proNACHBAR"-Mitglieder marschieren nicht mit Pfeffersprays durch die Straßen, sie sind keine Bürgerwehr. Sie sehen sich vielmehr als das Gegenmodell der Privatsheriffs. Ihr Ziel ist die Verbesserung der Sicherheit im eigenen Wohnbezirk durch enge Zusammenarbeit mit der Exekutive, intensiven Informationsaustausch über Kriminalität in der Umgebung und Kriminalprävention. Auf Facebook und auf ihrer Homepage tauschen sie Informationen über verdächtige Umtriebe aus. Sie haben eine Mitgliederzeitung. Und wenn es dort ein Preisausschreiben gibt, ist meist eine Alarmanlage zu gewinnen.

Im Oktober 2012 geriet die Wiener Initiative erstmals ins Visier internationaler Beobachter. Es begann mit einer Einladung zum Fraunhofer Institut in Berlin. Weiter ging es zu einer Initiative nach Bremen. Dann reiste sogar ein spanischer Polizei-General aus Valencia an, um die Methoden der Wiener zu studieren – natürlich gab es auch eine Gegeneinladung nach Valencia. Sogar ein Polizeigeneral aus Saudi-Arabien war schon da.

Am 23. Oktober wollen sich nun 23 ähnlich gelagerte Initiativen von Moldawien über Großbritannien bis Norwegen in Wien international vernetzen.

Bürgerinitiativen gegen Auswüchse von Kriminalität entstanden in unterschiedlichster Form in ganz Europa. Die EU will diese Entwicklung erforschen. Am EU-Projekt "Überwachungsgesellschaft" ist auch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien unter der Leitung des Kriminalsoziologen Reinhard Kreissl beteiligt.

Dort geht man davon aus, dass "die Arbeit mit den Menschen vor Ort im ‚Grätzel‘ oder neudeutsch ,Community Service‘ eine zentrale Rolle bei der Antwort auf die Fragestellung darstellt." Diese Bürgerinitiativen machen unterschiedliche Erfahrungen. Banden, die über Österreich bis Großbritannien agieren, arbeiten meist mit den selben Methoden. Aber Bürgerinitiativen etwa in den Vorstädten von Paris sehen sich zusätzlich mit noch ganz anderen Herausforderungen konfrontiert.

Karl Brunnbauer: "Jede dieser Gruppen hat lokale und spezifische Erfahrungen und Wissen, es gibt aber keinen Austausch. Das soll sich nun ändern."

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