Wahlkampf-Krämpfe ums Wahlrecht

2010 unterzeichneten Grüne, ÖVP und FPÖ einen Notariatsakt
Koaltionsfoul der Grünen könnte ein neues Wahlrecht weiter verzögern

"Wir kapieren einfach nicht, was die Grünen hier schon wieder geritten hat", heißt es am Freitag aus SPÖ-Kreisen. Statt einer ruhigen Ferienwoche herrscht im Rathaus einmal mehr dicke Luft. Grund ist der erneute eigenmächtige Vorstoß der Grünen in Sachen Wahlrechtsreform.

Wie berichtet, hatten die Grünen am Donnerstag verkündet, dass es in der Causa eine Einigung mit der SPÖ gebe. "Fakt ist: Es gibt keine", wird man in der SPÖ nicht müde zu betonen.

Der Ärger über die Grünen ist groß: "Es wurde zu den Verhandlungen Stillschweigen vereinbart und schon wieder sind die Grünen mit irgendeiner Lösung vorgeprescht", sagt ein Funktionär.

Keine guten Voraussetzungen, um die Reform nach jahrelangem Gezerre endlich unter Dach und Fach zu bringen. Kurz vor der Zielgerade könnte sich die Einigung nach diesem koalitionsinternen Foul noch einmal verzögern.

Und die Grünen müssen sich von der Opposition einmal mehr die Frage gefallen lassen, warum sie sich nicht an den Notariatsakt aus dem Jahr 2010 halten. Damals hatten sie sich gemeinsam mit FPÖ und ÖVP verpflichtet, sich nach den anstehenden Gemeinderatswahlen um ein faires Wahlrecht zu bemühen. Denn das jetzige System bevorzugt die stimmenstärkste Partei und damit die SPÖ massiv.

Den Vorwurf des Wortbruchs weisen die Grünen von sich: "Wir arbeiten intensiv an einer Lösung", betont eine Sprecherin. Nachsatz: "Wir befinden uns in einer Koalition". Soll heißen: Ohne Zugeständnisse an den Regierungspartner kann es naturgemäß keine Einigung geben.

Zugleich drehen die Grünen den Spieß um und werfen Schwarz und Blau vor, dass diese sich ihrerseits nicht mehr an den Notariatsakt halten. Vielmehr würden sich FPÖ und ÖVP der SPÖ mittlerweile als Mehrheitsbeschaffer anbieten, um lediglich jene Reparaturen im Wahlrecht zu beschließen, die noch unbedingt vor der nächsten Wahl erfolgen müssen.

Dabei geht es unter anderem um die Briefwahl. Nach bestehender Regelung kann man in Wien auch nach dem Wahltag noch seine Stimme abgeben. Wird dieses Problem nicht beseitigt, droht eine Aufhebung der nächsten Wahl durch den Verfassungsgerichtshof.

"Der Änderung der verfassungswidrigen Passagen stimmen wir zu", sagt FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus. "Gleichzeitig bleibt unsere Forderung nach einem gerechteren Wahlrecht aufrecht. Und bei diesem Thema sind nun einmal die Grünen umgefallen."

ÖVP-Chef Manfred Juraczka nimmt lieber die Rathaus-Koalition in die Pflicht: "Ich erwarte mir von der Landesregierung, die Punkte, die zu ändern sind, auch zu ändern." Denn wenn die Grünen hier nicht mitstimmen, würden, würden sie sich an einem Verfassungsbruch beteiligen, glaubt der VP-Chef.

Und in Sachen gerechteres Wahlrecht liege der Ball erst recht bei den Grünen: "Wir und die FPÖ haben Anträge für eine entsprechende Änderung eingebracht. Die Grünen hätten einfach zustimmen können."

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