Die Renaissance des Gemeindebaus

Der Gemeindebau hat im roten Wien eine lange Tradition. Die Wiener SPÖ will nun diesen Mythos wiederbeleben.
Nach mehr als zehn Jahren Pause will Wien in Eigenverantwortung Wohnungen errichten.

Nichts symbolisiert das rote Wien so wie der Gemeindebau. Ein gutes halbes Jahr vor der nächsten Gemeinderatswahl holt jetzt Bürgermeister Michael Häupl das tiefrote Kernthema aus der Versenkung.

Wien wird wieder Gemeindebauten errichten“, sagt Häupl auf der SPÖ-Klubklausur in Rust. Und er erntete dafür Applaus der Genossen. Nachsatz: „Natürlich machen wir das nicht wie in der Vergangenheit.“ Der „Gemeindebau Neu“ soll mittels einer Gesellschaft realisiert werden, an der zu 51 Prozent der stadteigene Bauträger Gesiba und zu 49 Prozent die Gemeindebau-Verwaltung Wiener Wohnen beteiligt sind. „Ich schlage euch vor, dass wir das gleich ausprobieren, im 10. Bezirk in der Fontanastraße 1“, sagte Häupl. Am Gelände der einstigen AUA-Zentrale sollen 120 Wohnungen entstehen, Ende 2017 sollen die ersten Mieter einziehen.

Häupl will, dass sämtliche Wohnungen von Wiener Wohnen vergeben werden. Finanziert wird der „Gemeindebau Neu“ durch einen Sondertopf mit 25 Millionen Euro, der aus dem zentralen Budget kommt. Sollte der Versuch glücken, will Häupl in den nächsten Jahren 2000 neue Wohnungen errichten.

Von der Größe, Ausstattung und dem Mietpreis orientieren sich die neuen Gemeindebauten an den Smart-Wohnungen. Während die Mieter dort vorab 60 Euro Finanzierungsbeitrag pro Quadratmeter Fläche zahlen müssen, ist das beim Gemeindebau Neu nicht notwendig.
„Ab dem Sommer sollen alle Wohnungen der Stadt, ob im Gemeindebau, im geförderten Wohnbau oder eben im Gemeindebau Neu über eine gemeinsame Plattform vergeben werden“, sagt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Er will diese Neuordnung auch dazu nutzen, um das Modell des Hausbesorgers im Bund wieder offensiv zu bewerben.

Während die Grünen den Vorstoß begrüßen, hagelt es von der Opposition Kritik: „Das ist nichts weiter als ein Wahlkampfschmäh“, sagt VP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch. Für FP-Klubchef Johann Gudenus ist der Bau neuer Gemeindewohnungen ein „PR-Gag“.

Bürgermeister Michael Häupl im KURIER-Interview

Gebühren-Zuckerl

Für das Wahljahr haben die Roten aber ein weiteres Zuckerl: 2015 und 2016 wird es keine Erhöhung bei einer Reihe von Gebühren geben, „damit die Menschen mehr Geld in der Tasche haben“, kündigt Häupl an.

Betroffen sind unter anderem Wasser, Abwasser, Müllabfuhr. Die Inflationsanpassungen in diesen Bereichen hatte immer wieder massive Kritik der Opposition hervorgerufen.

„Weiters werden wir alles daran setzen, dass es 2015 und 2016 auch zu keiner Erhöhung bei den Tarifen der Wiener Linien kommt“, ergänzt Finanzstadträtin Renate Brauner.

Wie viel dadurch den Wienern letztendlich in der Tasche bleibt, ist offen. Der genaue Betrag ist von der Entwicklung der Inflation abhängig. Brauner rechnet mit einem Gebührenentgang für die Stadt im zweistelligen Millionenbereich.

25 Prozent der Wiener Bevölkerung leben in Gemeindebauten. Mit rund 220.000 Wohnungen ist die Stadt die größte Hausverwaltung in Europa.
Die Historie des Wiener Gemeindebaus beginnt um 1900 – als die Zuwanderung zu massiver Wohnungsnot führte. 300.000 Wiener hatten keine Wohnung. Ab 1919 wurden erste Gemeindebauten, wie der Metzleinstalerhof in Margareten, errichtet. Fertiggestellt 1925, hatte er Vorbildwirkung: Dort fanden sich Sozialeinrichtungen wie eine Badeanstalt, eine Wäscherei, eine Bibliothek oder ein Kindergarten. 1934 wohnte bereits jeder zehnte Wiener im Gemeindebau.

1945 waren 87.000 Wohnungen zerstört und 35.000 Wiener obdachlos. Bis 1959 dauerte der Wiederaufbau. In den 60ern wurden im Schnitt 9000 neue Gemeindewohnungen pro Jahr gebaut.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 stieg die Zuwanderung aus den östlichen Nachbarländern. Eine weitere Wohnbau-Offensive begann. 2000 schaffte die schwarz-blaue Regierung die Hausmeister ab. Bei der Wiener Volksbefragung 2010 sprachen sich 81,67 Prozent für den „Hausbesorger Neu“ aus.

Der bis dato letzte Gemeindebau, der von der Stadt als Bauträger errichtet wurde, war 2004 eine Anlage in der Rößlergasse in Liesing.

Michael Häupl hat sich für seine letzte Wahl etwas vorgenommen. Sein Wahlkampf soll nicht so farb- und erfolglos wie 2010 sein. Damals war Häupls Ruf nach einer Abstimmung über das Bundesheer der größte Heuler. Die Absolute ging verloren, später auch die Heeres-Volksbefragung.

Jetzt will der Bürgermeister gewinnen. Er gibt sich kämpferisch wie lange nicht und stemmt sich mit seiner ganzen politischen Routine gegen matte Umfragewerte. Ja, er will das Unmögliche schaffen: Die absolute Mehrheit bleibt das Ziel.

Daher zieht Häupl alle Register und holt bewährte Erfolgsrezepte seiner Partei aus der Versenkung. Keine Gebührenerhöhungen in den kommenden zwei Jahren, der Bau neuer Gemeindewohnungen, das war erst der Anfang. Klar, dieser Wahlkampf kann teuer werden, auch für den Steuerzahler. Spannender als 2010 wird er in jedem Fall sein.

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