Kindergarten-Chef wehrt sich gegen Dschihad-Vorwurf

Muhammad Ismail Suk (66) sieht sich mit Drohungen konfrontiert.
Vor 12 Jahren will ein Ex-Mitarbeiter eine radikalisierende Broschüre gesehen haben.

Nach den Terror-Anschlägen von Paris ist die Sensibilität gegenüber radikalen muslimischen Tendenzen groß. Das dürfte wohl auch der Grund sein, warum die Boulevard-Zeitung Österreich am Mittwoch über einen Favoritner Kindergarten berichtete, der „zum Heiligen Krieg“ erziehen soll. Das Bild, das KURIER-Hintergrundrecherchen ergaben, lässt den Verdacht allerdings fragwürdig erscheinen.

Alter Vorwurf

Fakt ist, dass die Israelitische Kultusgemeinde Wien Anzeige gegen Muhammad Ismail Suk, den Betreiber eines Montessori-Kindergartens in Favoriten, einbrachte.

In der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wird behauptet, dass in der Betreuungseinrichtung die Broschüre Vorträge über den Islam Nr. 3 – Die Erziehung unserer Kinder „als Material für Kindergartenpädagogen verwendet“ werde.

In dem 22-seitigen Aufsatz schrieb die mittlerweile verstorbene deutsche Autorin Fatima Grimm – eine Konvertitin und Tochter des SS-Obergruppenführers Karl Wolff – über den Dschihad als letzte Phase der islamischen Erziehung: „Ich meine, dass wir etwa um das 15. Lebensjahr herum damit rechnen dürfen, unsere Kinder für den Begriff des Dschihad aufgeschlossen zu finden“, steht da. Oder auch: „Vielmehr sollten wir (Mütter; Anm.) ihnen (den Söhnen) immer vor Augen führen, was für eine großartige Auszeichnung es für jeden Muslim ist, für die Sache des Islams mit der Waffe in der Hand kämpfen zu können.“

Die Broschüre basiert auf einem Vortrag aus dem Jahr 1975 und gehört zu Grimms umstrittensten Publikationen. Sie distanzierte sich später davon.

Der einzige Zeuge

Die Anzeige der Kultusgemeinde fußt auf den Aussagen eines ehemaligen Betreuers – der besagte Broschüre allerdings bereits im Jahr 2003 in einem Regal des Kindergartens gesehen haben will. Also vor zwölf Jahren.

Diese Quelle ist selbst kein unbeschriebenes Blatt – wie der nunmehrige Pensionist gegenüber dem KURIER freimütig zugibt. Derzeit läuft ein Verfahren wegen des Verdachts der Hetze und der NS-Wiederbetätigung gegen ihn.

Eingebracht wurde die Anzeige vom grünen oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober, weil der „Aufdecker“ auf Facebook Flüchtlinge als „primitivste orientalische Hinterwäldler“ bezeichnet und nach dem Wahlerfolg der FPÖ in OÖ unter anderem den Aufmarsch der SA auf dem Welser Hauptplatz in Aussicht gestellt hatte. Diese Verbalinjurien wären aber „ohne ideologisches Substrat“, meint der Zeuge – weshalb nicht von Verhetzung die Rede sein könne.

Eine Situation, in der die zitierte „Dschihad-Broschüre“ in dem Kindergarten von Pädagogen verwendet wurde, sei ihm nicht bekannt, sagt der Ex-Mitarbeiter. Das Arbeitsklima in der Einrichtung bezeichnet er als positiv. Allerdings sei er zwei Wochen, nachdem er die Inspektorin der MAG ELF über die Broschüre informiert haben will, gekündigt worden.

"Keine Hinweise auf Radikalisierung"

Bei der Behörde, die regelmäßige Kontrollen in den Kindergärten durchführt, bestätigt man diese Darstellung allerdings nicht. Es sei keine derartige Meldung an eine Inspektorin gemacht worden und es gebe über all die Zeit auch keinerlei Hinweise auf Radikalisierungstendenzen in dem Kindergarten, heißt es bei der MAG ELF. Aus aktuellen Anlass werde nun erneut kontrolliert.

Von der zwölf Jahre alten Beobachtung einmal abgesehen, konnte auch die Kultusgemeinde keine zusätzlichen Hinweise auf Radikalisierungsversuche in Erfahrung bringen, erklärt Generalsekretär Raimund Fastenbauer. Aus „glaubwürdigen Quellen“ habe man aber von „einem islamistischen Hintergrund der Kindergarten-Betreiber“ gehört.

Besorgte Eltern

Ein Vorwurf, der Ismail Suk nicht neu ist. Die Unterstellung habe mit einem Besuch des deutschen Islamisten Pierre Vogel zu tun – Jahre bevor dieser als Hassprediger auf sich aufmerksam machte.

„Ich kannte ihn damals nicht und hab ihn auch nicht eingeladen. Er hielt in Simmering einen Vortrag, hat von uns gehört und den Kindergarten besucht“, sagt Suk. „Inhaltlich distanziere ich mich von ihm extrem.“

Die Existenz der umstrittenen Broschüre im Kindergarten bestreitet der gebürtige Wiener Konvertit vehement – zumal 90 Prozent der Pädagoginnen gar keine Musliminnen sind. „Außerdem unterrichten wir hier nicht, wir betreuen.“ Die Vorstellung, zwei- bis sechsjährigen Kindern den bewaffneten Kampf näherbringen zu wollen, sei „geradezu absurd“.

Nach dem Österreich-Bericht habe es bereits mehrere Drohungen gegen den Kindergarten gegeben, die Eltern der Kinder – muslimische, wie nicht-muslimische – seien extrem besorgt. Aufgrund der „rufschädigenden Vorwürfe“ kündigt Suk nun rechtliche Schritte an.

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