Journalist muss in Haft belegen, dass er Jude ist

Stephan Templ wurde in Haft zunächst nicht als Jude anerkannt.
Restitutionskrimi: Kein koscheres Essen in der Justizanstalt Simmering für den Prager Autor.

Der Prager Journalist Stephan Templ hat am Montag seine einjährige Haftstrafe in der Justizanstalt Wien-Simmering angetreten. Der Historiker hatte bei der Restitution eines herrschaftlichen Gebäudes in Rathausnähe für seine Mutter einen Anteil im Wert von 1,1 Millionen Euro erwirkt und dabei die Existenz seiner Tante verschwiegen. Das wurde – wie berichtet – als Betrug gewertet, obwohl das Strafgericht die Tante nicht als Privatbeteiligte anerkannt hat und sich die Republik nicht für geschädigt erachtet. Die Haftstrafe für den jüdischen Autor bescherte Österreich international negative Schlagzeilen. Nun könnten weitere folgen.

Wie Templ den KURIER aus dem Gefängnis wissen ließ, wurde ihm das koschere Essen in der Anstalt verwehrt. Der Neuzugang wurde in der Justizanstalt nicht als Jude anerkannt und musste über seine Freundin bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien einen Nachweis erbringen.

Templ ist fassungslos: „Ich brauche also einen umgekehrten Arier-Nachweis.“ KURIER-Recherchen ergaben, dass im Gefängnis tatsächlich nur als Jude gilt, wer von der Kultusgemeinde als Glaubensbruder anerkannt wird. Seit Mittwochabend ist das der Fall, und Templ bekommt laut General Josef Schmoll von der Generaldirektion für den Strafvollzug koschere Kost.

Nur als Mitglied?

Templs Freundin, selbst Historikerin, wirft Fragen auf: „Dürfen nur Mitglieder der Kultusgemeinde Juden sein? Ist man als Mitglied einer Kultusgemeinde im Ausland in Österreich offiziell kein Jude?“ Überhaupt: „Ist die Anerkennung der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft an eine Vereinsmitgliedschaft gebunden?“

Nach dem jüdischen Religionsgesetz (Halacha) ist Jude, wer Kind einer jüdischen Mutter ist, unabhängig davon, ob er im Laufe seines Lebens konvertiert. Wer Jude ist, das hängt nicht von einer Mitgliedschaft ab, teilt die Kultusgemeinde mit.

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