Härtere Gangart gegen Hooligans
Bis Sonntag steht bei der Weltmeisterschaft noch Gourmetkost für den Fußballfan auf dem Programm, nur sechs Tage später gibt’s wieder Hausmannskost in der heimischen Fußballliga. Für echte Kicker-Fans kann es eben nie genügend Matches geben.
"Null-Toleranz-Politik"
"Das sind Kriminelle, die wir aus unseren Reihen vertreiben wollen", erklärte Rapid-Präsident Michael Krammer. Das Rapid-Präsidium wartet noch die Urteile ab. Dann drohen einigen Hooligans lebenslange Stadionverbote. Krammer kündigte in diesem Bereich eine "absolute Null-Toleranz-Politik" an.
Neben Straßenschlachten zwischen Fans und Polizei kommt es auf heimischen Fußballplätzen immer häufiger zu rechtsradikalen Sympathie-Kundgebungen, die weit in den Tatbestand der Wiederbetätigung hinein reichen. Ein extrem rasch wachsendes Phänomen in europäischen Stadien.
Katzian spielt damit den Ball an die Justiz weiter: "Während die Vereine ihre Hausaufgaben machen, sind bei dem Vorwurf der Wiederbetätigung die Urteile viel zu mild. Dieses strafrechtliche Vergehen wird von den Richtern viel zu oft als b’soffene Gschicht abgetan."
Katzian sieht in dieser Negativspirale auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund: "Vor allem bei der Wiederbetätigung müssen die Behörden genauer hinschauen und methodisch vorgehen." Er kündigte auch an, die von der Bundesliga ausgesprochenen Stadionverbote in der kommenden Saison rigoros durchzusetzen.
Die Kamera am Wiener Westbahnhof lieferte nichtssagende Bilder: Eine Horde von Rapid-Fans fuhr die Rolltreppe hinauf und wenig später wieder hinunter. Die Körperverletzungen und Sachbeschädigungen, die später ein Staatsanwalt anklagen wird, wurden von ihnen nicht dokumentiert. Das brauchte es auch nicht, denn die Anklagebehörde machte großzügigen Gebrauch von einem beinahe universell einsetzbaren Paragrafen – Landfriedensbruch (§274 STGB). 75 Rapid-Fans wurden damals verurteilt – die meisten wegen Landfriedensbruch.
Einen "rechtspolitischen Wahnsinn" nennt das Werner Tomanek, der Anwalt mehrerer Rapid-Fans. "Ich war sprachlos." Der Paragraf ist ein Relikt im Strafgesetzbuch: Erfüllt ist er, wenn jemand "wissentlich" an einer Zusammenrottung teilnimmt, in deren Verlauf eine schwere Straftat passiert. Nicht die Tat entscheidet, sondern die Anwesenheit. Seine Wurzeln reichen bis ins 19. Jahrhundert und weiter zurück, als der "Landfriede" in Gefahr war.
Gesetzesreform
Der sogenannte "Westbahnhof-Prozess" ist kein Einzelfall. Gegen 517 Demonstranten gegen den FPÖ-Akademikerball zu Jahresbeginn liefen Ermittlungen wegen des Delikts. " Es besteht etwa ein erhöhtes Risiko für Personen, die an Demonstrationen teilnehmen", befürchtet Steinhauser. Am 23. Juli sitzen erneut 29 Rapid-Fans auf der Anklagebank, denen großteils Landfriedensbruch angelastet wird.
Strafrechtsprofessor Richard Soyer mahnt zu "großer Zurückhaltung" bei der Anwendung des Paragrafen, die er zuletzt als "irritierend" empfand. Er sei "grundsätzlich für eine solche Bestimmung. Das ist eine Grundfeste jeder Strafrechtsordnung". In einer funktionierenden Demokratie seien keine Umstürze zu fürchten. "Aber die Zeiten können sich auch ändern."
Tomanek warnt vor der "rechtsstaatlichen Grauzone" und bringt ein Beispiel: "Ich bin neugierig wie ein Hausmeister. Wenn sich bei einer Ansammlung was tut und Rapid-Fans dabei sind, die ich kenne, dann schaue ich mir das an – und bin schon verdächtig."
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