Wiener Bettelverbot-Wahlkampf

Nicht aggressiv: Ein Bettler bittet Montagmittag am Wiener Naschmarkt um Kleingeld
FPÖ wettert gegen die "Bettel-Mafia", doch beim KURIER-Lokalaugenschein war sie nicht zu sehen.

Mit dem Thema Sicherheit konnte die FPÖ bei der Wahl im Burgenland punkten. Noch am Sonntag kündigte FPÖ-Klubchef Johann Gudenus im KURIER an, auch im Wiener Wahlkampf auf Asyl- und Sicherheitsthemen zu setzen. Bereits am Montag wurde diese Ankündigung umgesetzt.

Zum Auftakt ihrer Kampagne berief die FPÖ gestern, Montag, einen Sonderlandtag zum Thema Betteln ein. Eine klare Mehrheit sei in Österreich für ein Bettelverbot in den Städten, argumentierte FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus.

Ein generelles Verbot in Wien, das wollen die Blauen so nicht mehr. Denn so etwas ist in Österreich gesetzlich nicht möglich. Daher fordert die Wiener FPÖ jetzt ein sektorales Bettelverbot in der Stadt, wie dies zuletzt trotz Proteste in Salzburg eingeführt wurde.

In Wahlkampfmanier wetterte der Blaue Wolfgang Seidl gegen die "ausländische Bettel-Mafia". Die würde besonders am Naschmarkt aktiv sein. "Entweder sie führen das Bettelverbot vor dem 11. Oktober ein, oder wir machen es nach dem 11. Oktober", drohte er Rot, Grün und Schwarz. Doch die zeigten sich wenig beeindruckt und lehnten den Antrag der Freiheitlichen ab.

Naschmarkt

Ist der Naschmarkt tatsächlich eines der Zentren der Bettel-Mafia? Der KURIER begab sich Montagmittag auf Lokalaugenschein – und traf in zwei Stunden drei harmlose Bettler an. Einer von ihnen war ein älterer Herr, der bei 26 Grad mit einem roten Wollpullover durch die Lokalmeile spazierte und an den Tischen die Hand aufhielt. Die Gäste ignorierten ihn, er ging ruhig weiter.

"Sicher ist es ärgerlich für die Gäste, wenn sie von den Bettlern beim Essen gestört werden. Aber meistens reicht ein ‚Nein‘ und sie geben Ruhe", sagt Georgius, Geschäftsführer des "La Piazzetta". Chen, Kellner im "Asia Time", sieht das Problem eher bei Zeitungsverkäufern: "Sie sind viel hartnäckiger und manchmal aggressiv, wenn man ihnen nichts abkauft."

Die Polizei zeigte am Naschmarkt zuletzt verstärkt Präsenz, sagten gleich mehrere Wirte übereinstimmend. Das bestätigt auch Polizeisprecher Paul Eidenberger: "Es gibt dort seit einem Monat verstärkt Streifen. Dabei sind für ein paar Stunden vier bis fünf Beamte in Zivil unterwegs."

Die Anzeigen sind im Vergleich zu 2014 rückgängig. Im April gab es in Wien 95 Anzeigen, im März 101. In den selben Monaten im Vorjahr waren es 104 beziehungsweise 118.

Gesetze

Für Politologen Peter Filzmaier ist die Strategie der Blauen keine Überraschung. "Die FPÖ versucht jedes Thema mit dem sogenannten Ausländerthema zu überfrachten, um Menschen mit negativer Einstellung zu ködern", sagt Filzmaier, der auch im Wiener Wahlkampf entsprechende Kampagnen erwartet. Die SPÖ müsse daher danach trachten, dass die FPÖ nicht andere Themen, wie etwa Bildung oder Arbeit, mit dem Ausländerthema überfrachtet.

Die grüne Abgeordnete Birgit Hebein warf der FPÖ Stimmungsmache vor: "Sie operieren mit falschen Zahlen. In den letzten drei Jahren hat es genau drei Fälle von Menschenhandel gegeben."

Auch SPÖ-Menschenrechtssprecherin Muna Duzdar kritisierte die FPÖ scharf. "Den Blauen gehen offensichtlich die Themen aus. Heute ist es Betteln, morgen Asyl, übermorgen der Islam." Die SPÖ wolle dagegen die Armut bekämpfen und nicht die Armen. Bestimmte Formen des Bettelns seien bereits jetzt verboten, verwies Duzdar auf die geltende Rechtslage.

Der Wahlkampf ist in Wien gelandet. Keine 24 Stunden nach den Erfolgen in der Steiermark und im Burgenland legte die FPÖ im Landtag mit dem Bettler-Thema los. Ja, es gibt Bettler am Naschmarkt. Ja, manche ärgern sich darüber. Ja, es sind weniger geworden, seit die Polizei verstärkt auftritt. Das ergab ein KURIER-Lokalaugenschein.

Aber warum der laute Aufschrei der Blauen? Einfach: Der FPÖ geht es darum, diffuse Ängste zu schüren. Das ist ein Destabilisierungs-Programm um jeden Preis. Im Wahlkampf hat das am Sonntag perfekt funktioniert. Und in Wien soll sich das mit Bettlern, Dschihadisten, kriminellen Asylwerbern wiederholen.

Will Bürgermeister Michael Häupl ernsthaft dagegenhalten, muss er jetzt Fakten schaffen und Taten setzen.

Bedeutet eine erhöhte Polizei-Präsenz, dass dieser Teil Wiens unsicher ist? Eine Anfrage der Freiheitlichen zur Gegend rund um die U-Bahn-Station Margaretengürtel, lässt dies vermuten. Ein KURIER-Lokalaugenschein, Montagvormittag ergab, dass die Gegend nicht zu den ruhigsten der Stadt gehört.

Wiener Bettelverbot-Wahlkampf
Sicherheitsdebatte Margaretengürtel + Umfrage
10.45 Uhr: Ein Polizeibus parkt mit Blaulicht auf den Straßenbahngleisen. Die Beamten halten zwei junge Männer an, die sich dort herum treiben. Nach einer Durchsuchung dürfen die Männer wieder gehen.

Eine Situation, wie sie speziell bei dieser Öffi-Station immer häufiger vorkommt. Die Zahlen aus einer FPÖ-Anfrage sind bemerkenswert: 4586-mal wurde die Exekutive 2014 zu Einsätzen in diese Gegend gerufen.

Die erhöhte Präsenz der Polizei ist für die Anrainer deutlich spürbar: „Man merkt, dass mehr Polizisten hier sind. Das gibt mir ein sicheres Gefühl, weil gerade rund um die U-Bahn oft etwas passiert“, erzählt Olga A.

Genauso sieht das Anrainerin Kinga D., die mit ihrem Kind gern den Spielplatz im Bruno-Kreisky-Park besucht: „Es ist natürlich nicht schön, wenn man dauernd Polizei-Einsätze sieht, aber im Endeffekt fühlt man sich dadurch beschützt.“

Die Einsatzzahlen lassen nicht auf eine steigende Kriminalitätsrate schließen, sagt Polizeisprecher Hans Golob: „Der Margaretengürtel ist kein Hotspot für Drogenkriminalität oder dergleichen. Wir haben an mehreren Knotenpunkten unsere Präsenz verstärkt.“ Wo Drogendelikte oder Betrunkene früher übersehen wurden, gibt es jetzt einen Vermerk der Polizei. „Je mehr wir in einem Gebiet unterwegs sind, desto geringer ist auch die Hemmschwelle der Menschen, uns zu rufen“, erklärt Golob.

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