Zwei Welten: Wenn die Armut in den Westen schwappt

Roma-Siedlung
Norbert Ceipek kennt das Schicksal der Roma in Wien und in Rumänien. Er wird von Kritikern angefeindet.

Eine holprige Straße teilt zwei Welten. Winzige, löchrige Hütten aus Holz und Wellblech, teils ohne Türen, auf der einen Seite. Die Wege sind von Müll gesäumt. Das ist die eine Seite.

Ein hoher Zaun, dahinter eine monströse Luxusvilla, Nobelwagen und ein privater Sicherheitsdienst. Der Pferdestall ist im ehemaligen Kinderzimmer untergebracht – auf Marmorboden. Das ist die andere Seite.

Heikles Pflaster Wien

Es ist ein kleines rumänisches Dorf in der Moldau-Region, in dem hauptsächlich Roma leben. Hier gibt es nur zwei Extreme: bettelarm oder unvorstellbar reich. Norbert Ceipek kennt beide Seiten. Als Leiter der Drehscheibe Augarten kümmert er sich um ausländische Jugendliche, die in Wien beim Stehlen, Betteln oder bei der Prostitution aufgegriffen werden. Bis vor wenigen Jahren kamen die Kinder und Jugendlichen oft aus solchen Dörfern in Rumänien und Bulgarien. Im Jahr 2005 wurden in Wien 701 Roma-Kinder von der Straße geholt. Doch seit sie nach ihrem Aufgriff in kontrollierte Einrichtungen in ihrer Heimat kommen, haben weder Eltern noch Roma-Clanchefs Zugriff auf sie. Wien ist dadurch ein heikles und unbeliebtes Pflaster geworden.

Zwei Welten: Wenn die Armut in den Westen schwappt
Deutschland und England werden seither von den Roma-Clans bevorzugt. Norbert Ceipek weiß das. Und er ist ein Mann der klaren Worte. Deshalb ist er ist mit seinem Wissen international gefragt. Ceipek hält Vorträge in Bulgarien und Rumänien, berät Deutsche und Briten. Und das mit klaren Ansagen – was ihm zuletzt zum Verhängnis wurde. Nach einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden Rassismus-Vorwürfe gegen ihn laut. Ein von oben verordneter Maulkorb gegenüber der Presse war die Folge. Und der Ruf, der haften blieb. Jetzt spricht Ceipek wieder. Und das unter anderem heute, Donnerstag, auf einem Podium mit seinen schärfsten Kritikern.

Vorurteile

Über Roma zu sprechen ist heikel – zu schnell siegen Vorurteile. Doch Ceipek kennt Schicksale und Wahrheiten. Die spricht er aus. „Roma-Dörfer werden von Clanchefs regiert. Die haben Geld. Wer Geld hat, schafft an“, erzählt er. Abhängigkeit ist in den bettelarmen Siedlungen schnell geschaffen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch – Roma bekommen keine Jobs. Für das Nötigste fehlt oft das Geld. Zum Heizen etwa. „Die Chefs haben richtige Bauhöfe. Dort gibt es Holz zum Heizen oder Baumaterial.“ Wer etwas braucht, steht in der Schuld. Die Währung heißt: Kinder.

Die Jüngsten sind acht Jahre alt. Die ältesten 13. „Erst ab 14 sind sie strafmündig“, erklärt Ceipek. Sie werden in Bussen in den Westen gekarrt. Ihre Aufgabe ist klar: betteln und stehlen. Oder Prostitution. Hauptsache, die Einnahmen stimmen. Geschlafen wird in heruntergekommenen Abbruch-Häusern auf löchrigen Matratzen.

Nach ein paar Monaten kehren die Kinder in ihre Heimatdörfer zurück. Und mit ihnen sehr viel Geld, das ihnen täglich abgenommen wurde. Geld, um das sich die Clanchefs einen neuen Palast, einen neuen Luxus-Wagen und sehr viel Goldschmuck kaufen können.

Dinge, die Ceipek selbst gesehen hat. Aber ist er deshalb ein Rassist? „Wer das glaubt, kennt mich nicht“, sagt er. „Das Ganze ist eine Anpatz-Kampagne. Ich soll da bei internen Machtkämpfen meinen Kopf hinhalten.“

Am Donnerstag spricht er wieder über das Thema. Und zwar bei einer Diskussion der Grünen mit dem Titel „Roma unter Generalverdacht“. Start ist um 18 Uhr in der IG Architektur in der Gumpendorfer Straße 63B.

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