"Die Fußstapfen sind sehr groß"

"Die Fußstapfen sind sehr groß"
Michael Häupl feierte sein Amtsjubiläum. Seine Zukunft lässt er offen.

Wohnen soll wieder leistbar sein. Der Wirtschaftsstandort Wien muss gestärkt werden. Und man braucht ein Paket für den öffentlichen Verkehr. Das sagte der damals neu gewählte Bürgermeister Michael Häupl bei seiner Antrittsrede am 7. November 1994.

Auf den Tag genau, also 20 Jahre später, sind diese Themen aktueller denn je. Nicht, dass der Bürgermeister untätig geblieben wäre. Unter seiner Amtszeit hat sich Wien zu einer modernen Metropole entwickelt. Besonders vom EU-Beitritt und der Osterweiterung hat Wien profitiert wie keine andere Stadt Europas.

1,8 Millionen Menschen leben heute in Wien, jedes Jahren ziehen knapp 25.000 Menschen zu. Seit 1994 wurden 126.800 neue Wohnungen gebaut, 300.000 modernisiert. In den vergangenen 20 Jahren wurden unter anderem 40.000 neue Kindergartenplätze geschaffen, 116 Schulen neu errichtet oder ausgebaut.

"Die Fußstapfen sind sehr groß"

Unter Häupl wurde aber auch kräftig in die Event-Kultur investiert. Einst von Helmut Zilk eingeführt, baute Häupl die Event-Schiene stark aus. "Ich will, dass sich diese Stadt vom Zentralfriedhof unterscheidet", sagte er vor 20 Jahren. Heute gibt es vom Eistraum über den Life Ball bis hin zum Donauinselfest jedes Jahr Dutzende Großevents. Highlight 2015 wird der Song Contest.

Entscheidung

Ob diese Unterhaltungskultur auch Stimmen bei der kommenden Wahl bringen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht, es wird Häupls letzter großer Wahlkampf. Zu einer weiteren Wahl will er nicht mehr antreten. Für seinen langjährigen Wegbegleiter Landtagspräsident Harry Kopietz ist Häupl dennoch "der großartigste Politiker überhaupt." Er schaffe es ständig, sich geistig zu erneuern. Letzteres bestätigt auch Politologe Thomas Hofer. "So lange die Öffentlichkeit bei Laune zu halten, ist bemerkenswert." Häupl sei ein intellektueller Politiker, der es schaffe, volksnah zu formulieren. Mit seinem Entschluss, mit den Grünen zu koalieren, war er bisher der einzige SPÖ-Politiker, der sich das Experiment links der Mitte zugetraut hat. Zugleich führte er jahrelang einen Abwehrkampf gegen die FPÖ. Zumindest in den großen Flächenbezirken musste Häupl aber das Erstarken der Blauen zur Kenntnis nehmen.

Gegenwind

Diese lassen kein gutes Haar am Stadtoberhaupt. "Es ist höchst an der Zeit, dass dieser Bürgermeister endlich den Hut nimmt", wettert FP-Parteichef Heinz-Christian Strache und bringt sich sogleich als Nachfolger ins Spiel.

Auch für die Neos ist Häupl ein Auslaufmodell. "Er ist zweifelsohne ein Intellektueller mit einem breiten Horizont. Er ist aber ein Politiker alter Schule und heute nicht mehr zeitgemäß", sagt Wien-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Für Manfred Juraczka von der Wiener ÖVP ist Häupl ein redlicher Politiker. "Er sollte aber mehr Leadership beweisen, anstatt sich aus der Stadtpolitik herauszuhalten."

Der Koalitionspartner gibt sich zum Jubiläum streichelweich, auch wenn zuletzt zwischen Rot und Grün öfters die Fetzen flogen. Der Bürgermeister habe "Mut und Weitsicht bewiesen, auch aufgrund der ersten rot-grünen Regierungskoalition", sagte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Die grüne Chefin betont die "gute Zusammenarbeit" in den vergangenen Jahren – man freue sich auf die weitere gemeinsame Arbeit.

Ob es zu einer Neuauflage von Rot-Grün kommt, und wer Häupl nachfolgt, ist derzeit aber offen. Nur eines ist fix: "Es wird schwer für seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin – die Fußstapfen sind sehr groß", sagt Hofer.

20 Jahre Bürgermeister, dazu gab es im Rathaus einen unaufgeregten Festakt. Hat sich Michael Häupl, der Intellektuelle und erste Polterer der Stadt, eingebremst? Sicher nicht. Seine Ansage, bei den Wien-Wahlen die Absolute holen zu wollen, widerlegt das. Die Latte liegt fast unerreichbar hoch.

Spätestens seit der Wahlschlappe 2010 herrscht beim Bürgermeister Realismus vor. Nur mit Slogans – wie „Wien ist eine schöne Stadt“ – lassen sich heute keine Wahlen gewinnen. Das politische Klima ist rauer geworden, hausgemachte Fehler wurden bereits zum Boomerang.

Häupl hat daher seine Strategie geändert. Neue Visionen, angreifbare Projekte und mehr Kampfkraft in der eigenen Partei, so will er zu alter Stärke zurückfinden. Ganz tabu ist, jetzt eine Fortsetzung von Rot-Grün zu propagieren. Das wäre ein Zeichen von Schwäche. So will Häupl nicht in seine letzte Wahl gehen.

Michael Häupl (SPÖ) folgte am 7. November 1994 Helmut Zilk als Wiener Bürgermeister nach. Damit ist er seit exakt 20 Jahren nicht nur Stadtchef, sondern auch Landeshauptmann des Bundeslandes Wien. Unter seinen acht Kollegen in dieser Funktion ist nur einer länger - nämlich etwas mehr als 22 Jahre - im Amt, der Niederösterreicher Erwin Pröll (ÖVP). Nicht mehr viel auf den 20er fehlt dem Oberösterreicher Josef Pühringer (ÖVP).

Pröll löste am 22. Oktober 1992 Siegfried Ludwig ab, Häupl wurde nach der Wahl 1994, am 7. November, zum Landeschef gewählt, Pühringer kann am 3. März 2015 20 Jahre Landeshauptmann feiern.

Auch der viert-längste Amtsinhaber ist im Osten angesiedelt, allerdings mit deutlich kürzerer Erfahrung: Der Burgenländer Hans Niessl (SPÖ) begeht am 28. Dezember sein 14-jähriges Amtsjubiläum. Der Steirer Franz Voves (SPÖ) ist seit neun Jahren - genau seit 25. Oktober 2005 - im Amt. Er tritt bei der Landtagswahl im nächsten Jahr noch einmal an - ebenso wie Niessl, Häupl und Pühringer.

Allzeitrekord in greifbarer Nähe

"Die Fußstapfen sind sehr groß"
LH-Leute in den Bundesländern, Amtszeiten sowie längst dienender Landeshauptmann - Balkengrafik, Wappen Grafik 1317-14-Bundeslaender.ai, Format 88 x 94 mm
Häupl kann sich mit einer weiteren Amtsperiode den Allzeitrekord unter den Landeschefs holen. Diesen hält derzeit Heinrich Gleißner (ÖVP), der von Oktober 1945 bis Mai 1971 oberösterreichischer Landeshauptmann war. Seine 9.319 Tage im Amt würde Häupl (mit seinem Start am 7. November 1994) am 13. Mai 2020 erreichen. Das ist durchaus möglich - wenn Häupl nicht schon früher an einen Nachfolger übergibt und die nächsten zwei Wahlen (spätestens im Oktober 2015 und dann im Oktober 2020) nicht vorgezogen werden.

Den Allzeitrekord könnte auch Pröll knacken - wenngleich es bei ihm, wenn er bei der im März 2018 zu schlagenden Landtagswahl nicht wieder antritt, von den Fristen her knapp werden könnte. Denn er kommt am 28. April 2018 auf Gleißners 9.319 Tage, kurz darauf muss aller-spätestens der Landtag die neue Landesregierung küren.

Noch lange nicht in Rekordnähe sind die - allesamt von der ÖVP gestellten - Regierungschefs der westlichen Länder. Der dienstälteste unter ihnen ist Günther Platter in Tirol mit fast sechseinhalb Jahren. Der vor Kurzem nach seiner ersten Wahl zum zweiten Mal angelobte Markus Wallner in Vorarlberg ist (dank Wechsels während der Legislaturperiode) am 7. Dezember drei Jahre Landeshauptmann. Salzburg hat den jüngsten Amtsinhaber: Wilfried Haslauer (ÖVP) löste am 19. Juni 2013 seine rote Vorgängerin Gabi Burgstaller ab. Kurz davor (am 28. März 2013) bekam Kärnten nach der blau-orangen Periode wieder einen SPÖ-Landeshauptmann, Peter Kaiser.

Die Amtsdauer-Statistik entspricht weitgehend auch der Alters-Statistik. Erwin Pröll ist mit bald (am 24. Dezember) 68 der an Jahren älteste Landeschef, hinter ihm liegt Häupl, der am 14. September 65 wurde, knapp vor Pühringer, der seit 30. Oktober 65 ist. Nur der jüngste Landeshauptmann ist nicht auch der mit der kürzesten Amtserfahrung: Mit 47 Jahren ist Wallner der "Benjamin", aber bei der Amtsdauer liegt er auf Platz 7 vor Kaiser und Haslauer. Der Vorarlberger ist der mit großem Abstand jüngste: Als nächster kommt Kaiser, der am 4. Dezember 56 wird. Beim Amtsantritt war Wallner mit fast vierundvierzigeinhalb Jahren aber nicht viel jünger als Häupl, der bei seiner ersten Kür zum Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann gerade 45 geworden war.

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