Anklage Aliyevs erfordert Monsterverfahren mit Fernurteil

Anklage Aliyevs erfordert Monsterverfahren mit Fernurteil
Startschuss für einen beispiellosen Prozess in der österreichischen Justizgeschichte.

Die Würfel sind gefallen. Nach sieben Jahren dauernden Ermittlungen gegen den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev hat die Staatsanwaltschaft Wien mit einer Mordanklage einen vorläufigen Schlussstrich unter dem Agenten- und Nervenkrieg gezogen.

Es begann 2007 mit einem Auslieferungsbegehren der Generalprokuratur Kasachstans, das gleichzeitig das Ende der bemerkenswerten Karriere des heute 52-jährigen Aliyev war. Denn der ausgebildete Mediziner hatte es in seiner Heimat zum stellvertretenden Leiter des Geheimdienstes KNB gebracht. Er besaß TV-Stationen, Radiosender und Zeitungen, Internetdienste und Werbeunternehmen. Er war in der Zuckerindustrie engagiert und Gründer sowie Hauptaktionär der Nurbank.

Nach der Heirat mit Dariga Nasarbajewa war er auch Schwiegersohn des kasachischen Herrschers Nursultan Nasarbajev. Von 2005 bis 2007 fungierte er abwechselnd als Botschafter in Wien und als Vize-Außenminister.

Dann kam es wegen eines angeblichen Putschversuches zum Bruch mit dem Präsidenten. Prompt folgte das Auslieferungsbegehren aus Kasachstan. Der Vorwurf: Aliyev hätte in Almaty die Nurbank-Manager Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov entführt und umgebracht.

Aliyev wehrte sich gegen die Auslieferung und sprach von einer politisch motivierten Aktion. Er bekam beim Oberlandesgericht Wien Recht: "Darüber hinaus ist im Hinblick auf die pro-westliche Orientierung des R.M. Aliev zu befürchten, dass seine strafrechtliche Verfolgung, wie auch die seiner Mitarbeiter (...), aufgrund seiner politischen Anschauungen, die offensichtlich jenen des Präsidenten der Republik Kasachstan zuwiderlaufen, erfolgt."

Zeugenbeeinflussung

Auch von Zeugenbeeinflussung war im Urteil erstmals die Rede: "Diese Befürchtung wird insbesondere auch durch die Aussage des Adonis D. untermauert, der aus freien Stücken angab, ihm sei von kasachischer Seite ein Betrag von US-$ 1.000.000,-- geboten worden, wenn er vor einem Gericht in Kasachstan gegen R.M Aliev aussage. Derartige Methoden der Strafverfolgung stehen selbstverständlich dem Grundsatz eines fairen Verfahrens entgegen."

Das bedeutete aber gleichzeitig, dass die Staatsanwaltschaft Wien nun das Verfahren führen musste. Das gab es noch nie: Österreichische Staatsanwälte und nun auch Geschworene müssen ein Fernurteil über eine Tat fällen, deren Tatort sich 4600 Kilometer weit entfernt in einem autokratisch regierten Staat abspielte, wo der ehemalige KGB noch immer die oberste Sicherheitsinstanz ist.

Es wurden fast 100 Zeugen vernommen – die meisten in Kasachstan per Skype. Gleichzeitig begann in Wien ein beispielloser Agentenkrieg der Kasachen gegen Aliyev, seine ebenfalls hier aufhältigen "Komplizen" und gegen Zeugen. Es kam zu Entführungsversuchen und Nötigungen. Sogar ein Staatsanwalt wurde bespitzelt. Mehrere Polizeibeamte wurden korrumpiert. Nachdem der Agenteneinsatz aufgedeckt wurde, mussten die Kasachen den Großteil des Botschaftspersonals austauschen.

Ob die Anklage nun das Ende des Agentenkrieges bedeutet, bleibt abzuwarten. Die Republik steht vor einem Monsterverfahren mit offenem Ausgang. Aliyevs Rechtsanwalt Manfred Ainedter rechnet mit einem Freispruch. Denn im Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wäre es nun endlich möglich, alle Fälle von Beweismittelfälschungen und Zeugenbeeinflussungen der Kasachen aufzudecken.

Die Anklage wurde den Anwälten noch nicht zugestellt. Ainedter muss dann entscheiden, ob er Einspruch gegen die Anklage einlegen wird. Insgesamt sieht er es aber als positiv, dass das Verfahren nun endlich vor Gericht abgehandelt werden soll. Für Ainedter, der von der Meldung im Skiurlaub überrascht wurde, ist es "bezeichnend" für die Vorgangsweise der Wiener Staatsanwaltschaft, dass die Anklage überfallsartig zwischen den Feiertagen eingebracht wurde. Unklar ist, ob die horrenden Kosten für den Steuerzahler jemals bezifferbar sind. Denn die verteilen sich auf die Budgets des Justiz-, des Innen- und des Außenministeriums.

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