Das Geschäft mit der Integration

Sprachlehrer Johannes Pitschl unterrichtet eine internationale Klasse: Russen, Serben, Südkoreaner und Bosnier lernen gemeinsam
8700 Personen treten jährlich an. Ein Institut machte es ihnen besonders leicht.

In der Mitte des Tisches steht ein Teller mit Kuchen, wahlweise mit und ohne Schoko. Doch zum Frühstücken ist keiner in die Bösendorferstraße in Wien gekommen. Die zwölf Schüler spielen lieber Domino. Mit Wörtern. Dick passt zu dünn, schwarz zu weiß, süß zu sauer. Gesprochen wird deutsch.

Doch keiner der zwölf Teilnehmer hat Deutsch als Muttersprache. Russen, Serben, Südkoreaner, Bosnier, Japaner und Kroaten lernen miteinander. Einige wollen die Sprache lernen. Die anderen müssen sie lernen – sie brauchen entsprechende Kenntnisse für ihren Aufenthaltstitel.

"Im Vorjahr haben 8686 Teilnehmer den Integrationsvereinbarungstest abgelegt. Fast 82 Prozent haben ihn bestanden", sagt Franziska Troger vom Österreichischen Integrationsfonds. Die meisten Prüflinge kommen aus Serbien, gefolgt von Bosniern, Türken und Kosovaren. EU-Ausländer müssen diesen Test ablegen. Wer das nach zwei Jahren noch immer nicht getan hat, wird bestraft (siehe unten.). Und das kann bis zur Haft gehen.

Fall für die Justiz

Doch das Geschäft mit der Integration kann auch Dimensionen annehmen, die die Gerichte beschäftigen. So zum Beispiel im Fall einer Betreiberin eines Sprachinstitutes. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihr Missbrauch der Amtsgewalt vor. Denn sie soll es den Prüflingen gar zu leicht gemacht, den Raum während des Tests verlassen und auch die richtigen Antworten gezeigt haben.

Und das sprach sich schnell herum. Aus ganz Österreich reisten Prüflinge an, um hier ihren Test zu absolvieren. "In Linz habe ich die Prüfung nicht geschafft. Dann hab’ ich gehört, hier soll es einfacher sein. Und ich bin nach Wien gekommen. So wie auch einige Bekannte", gab ein Zeuge aus Albanien in seiner Muttersprache im Prozess an. Das Ganze flog auf, als mehrere Prüflinge idente, falsche Antworten angaben.

Kein Prüfling bestand

"Als wir zu einer Stichprobe bei einem Tests gekommen sind, hat plötzlich ein Großteil der Prüflinge abgesagt. Als wir unangekündigt gekommen sind, hat kein einziger Teilnehmer bestanden", schildert eine Mitarbeiterin des Integrationsfonds.

Das Urteil gegen die Angeklagte steht derzeit noch aus, der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt. Solche Manipulationen sind aber selten, betont man beim Integrationsfonds.

"Deutsch ist keine leichte Sprache. Aber hat man die erste Hürde genommen, wird’s leichter", sagt Johannes Pitschl. Er unterrichtet die zwölf Schüler im internationalen Kulturinstitut. Tanja aus Russland hat die erste Hürde schon genommen. "Deutsch ist die Muttersprache meines Mannes. Er hat eine riesige Bibliothek daheim. Ich will die Bücher lesen können. Und ich möchte mit ihm in Wien ins Theater gehen", sagt die 40-Jährige. Und mit entsprechenden Kenntnissen will sie sich dann auf die Suche nach einem Job im Finanzbereich machen. Übrigens: Im Gegenzug lernt ihr Mann Russisch.

Amari (Name geändert, Anm.) lebt seit drei Jahren in Österreich. Er hat einen Job in einer Fabrik in der Steiermark, mit seiner Frau hat der 38-Jährige zwei kleine Kinder. Sein Deutsch ist gut, zuletzt hat er die Prüfung für das Level B1 bestanden.

Allerdings hat der Nigerianer einen Strafbescheid wegen einer Verwaltungsübertretung bekommen: 250 Euro muss er zahlen, weil er die verpflichtende A2-Prüfung nicht gemacht hat.

Amari beteuert, er sei wegen seines Jobs nicht dazu gekommen. "Ich muss ja arbeiten." Später habe er einfach die höhere Prüfung absolviert. Aber die Integrationsvereinbarung sieht einen genauen Ablauf vor: Weil A2 nicht rechtzeitig erledigt war, wurde die Strafe fällig.

Daneben wurde auch noch seine Niederlassungsbewilligung nur auf ein Jahr statt drei Jahre verlängert. Sozialarbeiterin Karin Gruber von der KPÖ, die den Fall aufzeigt, wundert sich: "Der Nachteil ist schon groß genug. Muss die öffentliche Hand noch abkassieren?"

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