Bevölkerungsboom: Harte Tage für Verkehrsplaner

Überlasteter Gürtel: Während sich die Autos stauen, wird es auch in der U6 meist eng. Abhilfe sollen neue Garnituren ab 2014 schaffen.
Immer mehr Wiener nutzen die Öffis, auf den Straßen bleibt es dennoch eng.

2013 wird Wien um knapp 30.000 Einwohner wachsen. Doch mehr Menschen bedeuten auch mehr Verkehr, muss doch auch die neue Bevölkerung in der Stadt von A nach B kommen. Die gute Nachricht: Der Autoverkehr geht seit Jahren leicht zurück.

Im Vergleich zum Vorjahr sank 2012 die Zahl der Autofahrten im Schnitt um 1,1 Prozent. Das sind immerhin 16.000 Autofahrten weniger pro Tag. Auch die Zahl der Autobesitzer geht zurück, allerdings nicht überall. Während in den Innenbezirken immer weniger Menschen ein Auto besitzen, stieg etwa in der Donaustadt die Zahl der Autolenker. Dort gibt es 2013 um 6200 Autos mehr als noch vor sechs Jahren. Ähnlich sieht die Lage in Floridsdorf, Simmering und Favoriten aus (siehe Grafik). „Die großen Flächenbezirke spüren das Wachstum der Stadt besonders“, sagte zuletzt Verkehrsexperte Harald Frey zum KURIER.

Bevölkerungsboom: Harte Tage für Verkehrsplaner

Doch auch der Speckgürtel rund um Wien wächst. Viele pendeln in die Stadt. „Im Großraum Wien liegt der Anteil der Autos am Verkehr bei 60 Prozent, etwa 30 Prozent machen die Öffis aus“, sagt Verkehrsplaner Werner Rosinak. Er fordert daher den Ausbau der S-Bahn, um möglichst viele Pendler zum Umstieg zu bewegen (siehe unten). Rosinak: „Im Stadtentwicklungsplan für 2025 hat man sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, auf 45 Prozent Öffi-Anteil zu kommen.“

Maßnahmen

Vor allem seit dem Eintritt der Grünen in die Stadtregierung wird viel unternommen, um den Autoverkehr einzubremsen. Einerseits wurde das Parkpickerl ausgeweitet, die ersten Auswirkungen sind bereits spürbar. Gleichzeitig wurde mit Einführung der Jahreskarte ein attraktives Angebot zum Umstieg gemacht. Die Zahl der Jahreskartenbesitzer schnellte daraufhin von 390.000 auf 550.000 hinauf. Derzeit nutzen im Schnitt 2,5 Millionen Fahrgäste U-Bahn, Bim und Bus. „Wir rechnen bis 2025 mit 40 Prozent Zuwachs bei den Öffis“, sagt Rosinak.

Bevölkerungsboom: Harte Tage für Verkehrsplaner
Die Wiener Linien reagieren bereits auf den massiven Anstieg der Fahrgäste. Erst kürzlich wurden neue Intervalle präsentiert. Vor allem U-Bahnen werden werktags am Vormittag und am frühen Abend deutlich öfter fahren. Weiter warten heißt es bei der U6, da es hier nicht genug Garnituren gibt. Erst ab 2014 werden die ersten neuen U6-Züge ausgeliefert. Dann wird es auch hier Entlastung geben.

Um in den großen Flächenbezirken Autofahrten im Bezirk zu unterbinden, müssen Tangentiallinien gebaut werden. Hier wurde in Floridsdorf und Donaustadt mit der 25er- und 26er-Bim ein erster Schritt getan. Zusätzlich könnten gut ausgebaute Radwege für kurze Strecken innerhalb des Bezirks die Öffis entlasten. Doch während viel Geld für Radwerbung ausgeben wird, stagniert die Zahl der Radwegkilometer.

Dabei entlasten Radler sowohl den Autoverkehr als auch die Öffis. Auch im Zentrum der Stadt. In Spitzenzeiten platzen U3 und U1 bereits aus allen Nähten. Entlastung für diese Linien könnte eine neue U5 schaffen.

In einem ersten Schritt könnte die U5 erst innerhalb des Gürtels gebaut, später in Richtung Dornbach und Wienerberg verlängert werden. Doch die Finanzierung des Ausbaus ist maßgeblich von den Mitteln des Bundes abhängig. Und der muss sparen.

Werner Rosinak ist Verkehrsplaner auf der TU Wien und hat mehrere Verkehrskonzepte für die Stadt erstellt. Aktuell ist der 67-Jährige Mitglied der Arbeitsgruppe Verkehr beim Stadtentwicklungsplan (STEP) für 2025.

Herr Rosinak, wo liegen die größten Herausforderungen für die Stadt in Sachen Verkehr?

Da gibt es zwei große Probleme. Den Pendlerverkehr und das Wachstum der Stadt. Die gute Nachricht: Grundsätzlich nimmt der Autoverkehr ab. Das führt im Gegenzug aber zu einer Belastung des öffentlichen Verkehrs. Schon jetzt liegen U-Bahnen wie die U6 an ihrer Kapazitätsgrenze. Selbst wenn der Öffi-Anteil am Modal Split (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel, Anm.) gleich bleibt, ist allein der Zuwachs bedrohlich.

Welche Maßnahmen braucht es, damit die Leute dennoch auf das Auto verzichten?

Für Pendler muss man vor allem die S-Bahn deutlich attraktiver machen. Das wird die große Herausforderung der nächsten Jahre. Etwa die Intervalle einzelner Linien auf 15 Minuten zu senken, auf der Stammstrecke in 5-Minuten-Intervallen zu fahren. Dazu U-Bahn-ähnliche Garnituren mit ebenem Einstieg, so wie in München.

Auch in der Stadt selbst sind viele Linien bereits sehr voll. Wohin sollte in Zukunft der Fokus gelegt werden?

Da ist die Frage, was ich im U-Bahn-Netz noch tun kann. So könnte die von den Wiener Linien ins Spiel gebrachte U5 die Innenstadt entlasten. Allerdings darf man nur zu bauen beginnen, wenn man auch den Endausbau finanzieren kann. Eine U5 nur innerhalb des Gürtels zu bauen hat keinen Sinn, sie müsste mindestens bis zum Wienerberg gehen. Davor gilt es aber, die Straßenbahnen auszubauen. Sie sind wichtig für Tangentialverbindungen‚ etwa am Wienerberg oder in der Donaustadt. Gerade in den äußeren Stadtteilen ist das Auto noch attraktiv. Auch wenn es etwa mit der U2-Verlängerung besser geworden ist.

Wie will die Stadt den Autoverkehr eindämmen?

Der Autoverkehr wird künftig kaum mehr steigen. Aus dem einfachen Grund: Ich kann die Straßen nicht mehr ausbauen. Derzeit liegt der Anteil des Autos am Modal Split bei 27 Prozent. Mittelfristig ist ein Anteil von 20 Prozent durchaus realistisch.

Was kann das Radfahren dazu beitragen?

In der Stadt muss wieder Platz für Fußgänger geschaffen werden. Wir müssen daher die Radfahrer auf die Straße bekommen. In neuen Stadtentwicklungsgebieten wie der Seestadt Aspern wird das Radfahren daher gleich mitgeplant. Gerade bei kurzen Wegen kann der Radverkehr die Öffis entlasten. Doch leider ist hier sehr viel ideologisch aufgeladen.

Kommentare