Aliyev: Richter droht Zeugen Haft an

Richter Böhm erinnerte den Zeugen mehrmals an Wahrheitspflicht.
Neue Details über angebliche Folterungen der später ermordeten kasachischen Bankmanager.

Die beiden Mitangeklagten des vor Prozessbeginn erhängt in seiner Zelle aufgefundenen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev, Alnur Mussayev und Vadim Koshlyak, sind seit vergangener Woche auf freiem Fuß (der KURIER berichtete). Richter Andreas Böhm fehlt der dringende Tatverdacht. Dafür drohte er einem aus Kasachstan angereisten Zeugen mit Haft, weil dieser seinen bisherigen "fragwürdigen Aussagen" neue belastende Angaben hinzufügte: "Ich kann ihn in Haft nehmen lassen, wenn er nicht die Wahrheit sagt", verkündete Böhm.

Laut Anklage hat Aliyev unter Mithilfe seiner mutmaßlichen Komplizen die beiden Manager der Nurbank (in der er die Aktienmehrheit hatte), Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov, wegen angeblicher Veruntreuungen entführt, gefoltert, erpresst und ermordet. Sein ehemaliger Mitarbeiter Kurman Akimkulov war bei der Entführung am 31. Jänner 2007 dabei und schmückt seine Erinnerungen am 10. Prozesstag im Wiener Landesgericht aus: Khasenov sei, nur in der Unterhose, mit Kabelbindern gefesselt, auf einem Stuhl gesessen, und unter seinem Knie habe Blut herunter getropft. "Lasst mich in Ruhe, ich unterschreibe alles", habe er gefleht. Der Zeuge sagt, er sei "sprachlos" gewesen, obwohl er Aliyevs "grausame" Art, mit Leuten umzugehen, bereits gekannt habe.

Anschließend sei er vom Angeklagten Koshlyak in Aliyevs Auftrag angewiesen worden, das Blut aufzuwischen und alle Beweise zu vernichten. Das hatte der Zeuge in früheren Einvernahmen nie ausgesagt. Sein Anwalt habe ihm geraten, nichts zu sagen, was ihn selbst belasten könnte. "Aber jetzt verheimliche ich nichts mehr." Das erzürnt den Richter: "Das ist ganz neu! Seit 2007 wird es in den Vernehmungen immer ausführlicher." Er habe damals Angst vor dem Regime gehabt, begründet der Zeuge.

Gummiknüppel

Tags darauf sei er in Aliyevs Residenz zitiert worden. Dort seien beide Bankmanager nackt in dunklen Zimmern gesessen. Aliyev habe Timraliyev mit einem Stock penetriert und gesagt: "So riechen deine Fäkalien." Dann hätten sie alle drei – Aliyev, Koshlyak und er selbst – gelacht. Außerdem sei Timraliyev von Aliyev noch mit einem Gummiknüppel misshandelt worden.

Auch das ist neu. "Ich wurde später selbst von Aliyev und Koshlyak erniedrigt, deshalb habe ich nichts gesagt", erklärt Akimkulov. Vom weiteren Schicksal der Banker, deren Leichen erst 2011 entdeckt wurden, will der Zeuge nichts mehr mitbekommen haben. Der Prozess wird fortgesetzt.

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