100.000 Kameras zur Überwachung illegal

Die Regierung soll Auskunft über Überwachung geben
500.000 Videoobjektive beobachten die Bürger. Anrainer fühlen sich häufig gestört.

Treffpunkt Bahnhof Wien-Nord. Christian Jeitler vom Bürgerrechts-Verein Quintessenz zählt 20 Kameras. Sie überwachen Halle und Billa-Eingang. In der U2 Richtung MuseumsQuartier bleibt kein Fahrgast, weder in Zügen, noch in den Katakomben unbeobachtet. Im MuseumsQuartier, Wiens urbaner Freizeit-Oase, beäugen Kameras der aktuellsten Generation die Besucher. In den diversen Höfen glaubt man sich in einem Hochsicherheitstrakt. Und schließlich die am Nachmittag bestens frequentierte Mariahilfer Straße: Dutzende Geschäfte – vom Pizza-Schnellimbiss bis zum Juwelier – setzten ungeniert auf Videoüberwachung. "Viele dieser Geräte überwachen nicht nur den Geschäftsbereich, sondern auch Teile der Straße. Ein Verstoß gegen den Datenschutz", erklärt Jeitler.

Ein Fünftel ungesetzlich

Laut Datenschutz-Kommission kontrollieren mehr als 500.000 Überwachungskameras das Stadtleben. Tendenz steigend. Datenschützer Hans Zeger kritisierte bereits im Oktober: "Einige 10.000 dieser Geräte entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben." Experte Jeitler geht einen Schritt weiter: "Ein Fünftel, also 100.000 Kameras , brechen in Wien den Datenschutz."

Matthias Schmidl, stellvertretender Leiter der Datenschutzbehörde (DSB) bestätigte: "Die Überwachung, durch Kameras wird immer alltäglicher." 2014 wurden bis dato bundesweit 548 Anträge auf Registrierung einer Videoüberwachung gestellt. Demgegenüber stehen 207 anhängige Verfahren wegen Datenschutz-Vergehen.

Schmidl gibt zwei Beispiele: "Überwacht ein Händler den Geschäftseingang, dürfen links und rechts der Türe nur 50 Zentimeter des öffentlichen Raumes im Kamera-Fokus liegen. Und bei Grundstück-Überwachungen fühlen sich immer häufiger Nachbarn gestört." Doch die Datenschützer mit Sitz in Wien kämpfen mit Personalnot. "Sind Fälle in den Bundesländern zu bearbeiten, müssen wir bei den Bezirksbehörden um Amtshilfe ansuchen. Und 90 Prozent der Interventionen sind gerechtfertigt", weiß Schmidl. In der Regel werden Streitfälle durch den DSB-Ombudsmann gelöst. Unter www.dsb.gv.at gibt es Infos zur Thematik.

Keine Anmeldungen für Videoanlagen brauchen Banken, Trafiken, Tankstellen und Juweliere bei den Datenschützern einzubringen. Johann Slauf, Ex-Polizist und Chef einer Sicherheitsfirma, erklärt: "Dafür gibt es eine Standard-Verordnung. Sie besagt aber, dass die Überwachung ausgeschildert sein muss." Lebensmittelketten, Shopping-Tempel, Möbelhäuser, Parfümerien oder Boutiquen setzten ebenfalls auf Kameras. Gleiches gilt für die Wiener Linien. 80 Prozent der U-Bahnen und 20 Prozent von Bus und Bim sind videoüberwacht.

Attentat auf Video

Dass Wien "observiert" wird, zeigte der Fall des mit einer Handgranate in die Luft gesprengten BMW in Ottakring. Bei dem Attentat im Jänner starben zwei Männer. Im Prozesses wurde offenkundig, dass der nächtliche Anschlag mittels Kamera eines Geschäftes dokumentiert wurde.

Die Polizei überwacht Schweden- und Karlsplatz sowie den Westbahnhof. Diese mobilen Geräte werden nach Bedarf eingesetzt. Auch ein Dutzend Kreuzungen stehen im Fokus. Bleibt die Frage nach dem "gläsernen Bürger"? Christian Jeitler erinnert an London: "Die Metropole hat die größte Kamera-Dichte Europas. Durch Gesichtserkennungs-Programme werden Menschen überall in der Stadt lokalisiert. Diese Technik kommt auch zu uns."

Wie sensibel das System ist, zeigte eine Meldung von Samstag. Hacker knackten Tausende Webcams in Europa. Darunter drei österreichische Kameras. Auf russischen Internetseiten waren Bilder eines Wohnzimmers, eines Kuhstalls und einer Kuhweide in Echtzeit zu sehen.

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