Wirtschaftskammer jagt Arbeitslose, "die sich nur den Stempel holen"

Die Wirtschaftskammer will unwillige Bewerber dem AMS melden
Die WK-Bezirksstelle Kufstein ruft Mitglieder auf, arbeitsunwillige Bewerber zu melden. Die Namen gehen an das AMS. Grüne orten "Spitzelei".

Das Schild eines oberösterreichischen Wirts hat zuletzt für Aufsehen gesorgt. "Heute geschlossen – Kein Personal aber 500.000 Arbeitslose. Sorry, Der Wirt!", stand vor dem Lokal geschrieben. Der KURIER berichtete. Ähnlich tönt die Wirtschaftskammer (WK) Kufstein nun in einem Newsletter an ihre Mitglieder. Im Bezirk gibt es demnach 2199 Arbeitslose, gleichzeitig aber auch 724 offene Stellen.

Einen der Gründe für das "Auseinanderklaffen zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage" orten die Kämmerer darin, "dass einzelne Arbeitslose das System ausnützen, grund- bzw. sanktionslos gute Jobs ablehnen und lieber im Status der Arbeitslosigkeit/Mindestsicherung verbleiben".

Der Aufruf, den die WK-Bezirksstelle an diese Feststellung knüpft, sorgt für Diskussionen. Die Mitglieder werden nämlich aufgefordert, der Kammer Arbeitslose zu nennen, "die sich nur den berühmten ‚Stempel‘ abholen bzw. von vornherein gar nicht an einer Arbeitsaufnahme interessiert sind". Man werde entsprechende Fälle dem AMS melden und auf Sanktionen prüfen lassen.

"Das ist Spitzelei"

Michael Carli, Sprecher der Grünen Wirtschaft Tirol, ist entsetzt: "Es ist nicht Aufgabe der Wirtschaftskammer, Arbeitslose- oder unwillige zu verfolgen. Das ist Spitzelei." Die Kammer sei keine Detektei, sondern die Interessensvertretung der Unternehmer und habe ander Aufgaben.

WK-Bezirksstellenobmann Martin Hirner kann den Vorwurf nicht nachvollziehen: "Wenn Missbrauch stattfindet und gemeldet wird, ist es nicht gerechtfertigt, von Spitzelei zu reden". Ihm tue jeder leid, der in eine arbeitslose Situation kommt, sagt der Kämmerer. "Aber es gibt viele, die sich in die soziale Hängematte legen". Die Aktion sei zudem mit dem AMS abgesprochen.

Unnötiger Umweg

Hans-Jörg Steinlechner, Leiter der AMS-Geschäftsstelle Kufstein, bestätigt das. Man habe im Regionalbeirat mit allen Sozialpartnern darüber geredet, dass es gut wäre, "Betriebe aufmerksam zu machen, dass es Sanktionen gibt, wenn sie solche Fälle melden." Der Umweg über die Wirtschaftskammer sei eigentlich gar nicht notwendig. Eine direkte Meldung ans AMS zieht ohnehin ein Prüfverfahren nach sich.

"Die Wirtschaftskammer hat in so einem Verfahren keine Parteistellung", erklärt Tirols AMS-Chef Anton Kern, der ebenfalls keinen Grund dafür erkennt, warum die Kammer die Namen sammeln sollte. Liegt ein konkreter Verdacht auf Unwilligkeit, eine zumutbare Stelle anzunehmen, vor, müsse ohnehin mit dem Unternehmen und dem Betroffenen gesprochen werden.

Zahlen erheben

Tirols Wirtschaftskammer-Direktor Thomas Köhle will den Aufruf indes landesweit über alle Bezirksstellen verbreiten. "Die Unternehmer wundern sich, dass es so viele Arbeitslose gibt, obwohl so viele Betriebe Leute suchen", erklärt er den Hintergrund der Aktion. Warum die Wirtschaftskammer sich zwischenschaltet, begründet er damit, dass es auch darum gehe, zu erheben, wie viele Fälle es wirklich gibt, in denen Jobs nicht angenommen werden. "So werden wir herausfinden, ob das nur am Stammtisch behauptet wird."

Die AMS-Bezirksstelle Kufstein ist ungeachtet der Aktion aber schon jetzt die strengste in Tirol, erklärt ihr Leiter Hans-Jörg Steinlechner: "Wir haben am meisten Sperren. Das sind rund 20 im Monat." Sechs bis acht Wochen verlieren Arbeitslose die Bezüge, wenn sie einen zumutbaren Job verweigern. Österreichweit ist, wie berichtet, der Bezirk Gmunden Spitzenreiter im Einstellen von Zahlungen nach Arbeitsverweigerungen.

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