Die Republik rüstet gegen den Terror

Der polizeiliche Staatsschutz soll mit dem neuen Gesetz mehr Kompetenzen gegen religiös motivierte Extremisten, politische Radikale von links und rechts sowie gegen Industriespione, Saboteure und Cyber-Kriminelle bekommen.
Innenministerin will Verfassungsschutz mit mehr Kompetenzen und V-Leuten verstärken.

Im Kampf gegen Terroristen und Extremisten bekommen die Behörden schärfere juristische Waffen in die Hand: Der österreichische Verfassungsschutz soll einen klaren gesetzlichen Auftrag und gleichzeitig mehr Kompetenzen bekommen (der KURIER hat berichtet).

Der berufliche Alltag von Verfassungsschützern ist manchmal frustrierend. So hatten sie beispielsweise einen jungen Tschetschenen nach seiner Rückkehr aus Syrien beim Staatsanwalt abgeliefert, der dort auch noch erklärte, dass er in seiner Heimat den Märtyrertod sterben wolle. Für ein Strafverfahren reichten die Beweise aber nicht aus. Und eine weitere Beobachtung des fanatischen Gotteskriegers ließ das Gesetz auch nicht zu.

Im Gegensatz zum deutschen Verfassungsschutz, der ein Nachrichtendienst ist (Bericht unten), agiert das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf Basis des Sicherheitspolizeigesetzes und der Strafprozessordnung. Damit haben Verfassungsschützer nicht mehr Kompetenzen als etwa Verkehrspolizisten. Peter Gridling, Leiter des BVT, beschrieb seine Behörde wie folgt: "Es nennt sich Verfassungsschutz, ist aber nur ein polizeilicher Staatsschutz."

Staatsschutzgesetz

Die Republik rüstet gegen den Terror
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
Das soll sich durch das "Polizeiliche Staatsschutzgesetz" nun ändern, das Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch in die Begutachtung schickt. Die SPÖ soll bereits ihre Zustimmung signalisiert haben. Geheimdienst sei aber keiner geplant, stellt die Ministerin klar: Der Verfassungsschutz solle seinen polizeilichen Charakter behalten. Es ist eine österreichische Lösung: Die Verfassungsschützer sollen als eine Art "Supercops" Polizisten sein und gleichzeitig die Arbeit von Geheimdienstlern erledigen.

Hauptaufgabe bleibt die Abwehr von verfassungsgefährdenden Angriffen. Gemeint ist damit jede Art von Extremismus und Terrorismus sowie der Schutz kritischer Infrastrukturen. Deshalb bekommt der Verfassungsschutz auch Kompetenzen im Bereich Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage. Dazu gehört es, Regierungsorgane und Betreiber sensibler Wirtschaftsbereiche wie Energie, Finanzen, Transport oder Gesundheit auf aktuelle Gefahren hinzuweisen.

Die Republik rüstet gegen den Terror
APA14558966 - 10092013 - WIEN - ÖSTERREICH: Peter Gridling (l.), Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), und Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit im Innenministerium, am Dienstag, 10. September 2013, während der Pressekonferenz "Verfassungsschutzbericht 2013" in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Einen Probelauf gab es im Mai 2014. Damals informierte ein Partnerdienst das BVT, dass er einen Server, der von Kriminellen betrieben wurde und Schadsoftware verteilte, übernehmen konnte. Auch mehrere österreichische IP-Adressen waren geschädigt. Das BVT informierte die Betroffenen über ihre infizierten Computer.

Datenverbund

Gelockert soll auch der Zugriff auf gesammelte Daten werden. Derzeit dürfen die Daten des BVT nicht mit denen der Landesämter für Verfassungsschutz verknüpft werden. Künftig soll ein Informations-Verbundsystem geführt werden. Gestattet werden soll auch die Übermittlung von Daten des BVT an Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften, Gerichte und an ausländische Sicherheitsdienste im Zuge der Amtshilfe. Außerdem sollen Verfassungsschützer künftig auch Kfz-Kennzeichen abklären dürfen, was bisher nur der Kriminalpolizei erlaubt war.

Durften Verdächtige bisher nur maximal neun Monate überwacht werden, soll diese Frist auf zwei Jahre ausgedehnt werden – mit Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten auch länger.

Spitzel

V-Leute, die Behörden mit Insider-Wissen aus Extremisten-Kreisen versorgen, sollen künftig zentral geführt werden. Bisher war es nur möglich, von diesen Hinweisgebern Informationen zwar gegen Bezahlung, aber passiv entgegenzunehmen. Künftig soll ihnen der Verfassungsschutz auch konkrete Spähaufträge geben können. Es wird eine zentrale Stelle für sie geben. Es soll aber weiterhin verboten bleiben, dass diese Spitzel selbst an strafbaren Taten mitwirken. "Wir wollen keine Personen, die im Minenfeld der Straftaten unterwegs sind", erklärt Peter Gridling.

Wenn ein Agent des deutschen Bundesverfassungsschutzes einen Verdacht hat, muss er die Polizei holen, um den Verdächtigen festnehmen zu können. Denn er ist nur ein Agent, kein Polizist. Der österreichische Verfassungsschützer kann den Verdächtigen einsperren, denn er ist auch ein Polizist.

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The sign of Germany's Bundesamt fuer Verfassungsschutz (BfV), the domestic intelligence service of the Federal Republic of Germany, is pictured at its headquarters in Cologne October 31, 2014. REUTERS/Wolfgang Rattay (GERMANY - Tags: POLITICS)
Nur die Titel der Verfassungsschutzämter in Österreich und Deutschland sind ähnlich. Die strukturellen Unterschiede sind tief greifend. In Deutschland gibt es ein klares Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Der deutsche Bundesverfassungsschutz ist ein reinrassiger Inlandsnachrichtendienst. Der österreichische Verfassungsschutz ist eine Polizeibehörde mit nachrichtendienstlicher Teilkompetenz. Nachrichtendienste dürfen Informationen nach Gutdünken sammeln. Die Polizei darf nur Informationen sammeln, die im Zusammenhang mit konkreten Straftaten stehen.

Abwehrzentrum

Das bedeutet nicht, dass der deutsche Verfassungsschutz wesentlich effektiver ist. Beispielsweise musste zur Bekämpfung des Islamismus eine spezielle Einheit (Gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum GTAZ) in Berlin zur Koordinierung von 40 Behörden geschaffen werden. 229 Beamte sorgen dort dafür, dass Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, 16 Landeskriminalämter und 16 Landesämter für Verfassungsschutz, Bundespolizei, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Generalbundesanwaltschaft wenigstens beim Islamismus an einem Strang ziehen.

Die Geheimdienststruktur ist aber auch pannenanfällig. So scheiterte das geplante NPD-Verbotsverfahren, weil aus Gründen des Quellenschutzes die in der NDP eingeschleusten V-Leute des Verfassungsschutzes nicht als Zeugen benannt werden konnten. Auch bei den „NSU-Morden“, bei denen in den Jahren 2000 bis 2006 in verschiedenen Großstädten Deutschlands acht Menschen mit Migrationshintergrund ermordet wurden, spielte der Verfassungsschutz eine höchst umstrittene Rolle. Denn bestens über die rechtsradikalen Mörder informierte V-Leute des Verfassungsschutzes sollen jahrelang untätig geblieben sein.

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