Der Betrug mit der Liebe auf Zeit

Der Betrug mit der Liebe auf Zeit
Das Geschäft boomt. 194 Anzeigen gab es im Vorjahr in Österreich, die Tendenz ist steigend.

Ein schlüpfriges Kurzvideo mit geschlechtlichen Handlungen ist kein Nachweis für eine aufrechte Ehe – auch wenn es der Anwalt als Beweismittel vorlegt. Richard Ber von der Fremdenpolizei Wien hat schon viel gesehen. Über seinen Schreibtisch wandern sämtliche Verdachtsfälle bei Scheinehen. Und die Ehepartner sind äußerst kreativ, wenn sie der Fremdenpolizei ihre angebliche Liebe vorgaukeln.

Rund 60 Prozent der Ehen in Wien werden mit einem Ausländer geschlossen. Und das bedeutet viel Arbeit für die Fremdenpolizei. Denn sobald eine Person aus einem Drittland ins Spiel kommt, landet der Akt automatisch bei ihr. Das ist übrigens nicht nur bei der „normalen Ehe“ so. Gleiches gilt auch bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. „Wir haben auch schon zwei Frauen angezeigt“, berichtet Ber. „Das macht für uns keinen Unterschied.“ 187 Scheinehen wurden im Jahr 2011 angezeigt. Im Vorjahr stieg die Zahl auf 194.

Geldnot & Gutmensch

Bis zu 15.000 Euro ist EU-Ausländern die Heirat mit einer Österreicherin oder einem Österreicher wert. „Bei 75 bis 80 Prozent sind es allerdings österreichische Frauen“, erklärt Ber. Und die handelt meist aus finanzieller Not. „Oft sind es Drogenabhängige, Prostituierte oder schwer verschuldete Frauen, die so einer Ehe zustimmen“, schildert der Fremdenpolizist. Doch allzu oft bleibt der Wunsch vom schnellen Geld ein Traum.

„Die Zahlung erfolgt in Raten“, sagt Ber. „Die erste Rate gibt es vor der Ehe. Da treffen sich die Personen zwei, drei Mal vorher. Damit sie wenigstens wissen, wie der künftige Partner ausschaut.“ Nach der Eheschließung gibt’s die nächste Rate. Und dann plätschert das Bargeld nach erfolgten Bewilligungen. „Das große Geld kommt nicht so rasch“, weiß Ber. „Und oft wird nicht fertig ausgezahlt.“ Denn schriftliche Verträge gibt es nicht. Sie wären auch ungültig, weil sittenwidrig.

Der Betrug mit der Liebe auf Zeit
Fremdenpolizei Wien, Richard Beer

In seltenen Fällen ist das Motiv aber auch sozial motiviert: Österreicher wollen Ausländern eine Chance geben oder einem Bekannten einen Gefallen machen.

Die Herkunftsländer der Heiratswilligen sind bunt gemischt. „Da ist alles dabei – außer Südamerikaner.“ In chinesischen Zeitungen finden sich entsprechende Inserate, in Internet-Foren tauschen sich Interessierte aus, oft ist es Mundpropaganda. Manchmal aber auch organisierte Vermittlung. Wie die der „Dicken Lilly“, eine Pensionistin aus Meidling, die Dutzende Scheinehen in Wien und Niederösterreich organisiert hat.

„Es handelt sich um einen extrem boomenden Zweig“, sagt Ber. Und die Betroffenen werden immer geschickter. Sie präsentieren Hochzeitsfotos, machen Bildbände über ihre regelmäßigen Ausflüge. „Da hatten wir den Fall, dass ein Paar sämtliche Sehenswürdigkeiten Wiens an einem Tag abgeklappert und das als Aktivitäten über Monate dargestellt hat.“ Doch da passierten zwei fatale Fehler: Die Herrschaften trugen immer die selbe Kleidung, auf den Fotos war außerdem das Datum eingeblendet.

Oft sind es aber Kleinigkeiten des Alltags, die die Ermittler auf die richtige Spur führen. „Wenn die Frau sagt, dass der Herd links steht und der Mann sagt rechts. Als Begründung hat man uns weismachen wollen, dass der Mann ein Macho ist. Der weiß so etwas halt nicht.“

Er ist entweder deppert oder sehr verliebt“, sagt Ulrike Werhonnig über ihren Ehemann Dammy Afolabi. „Ginge es ihm nur um eine Scheinehe, hätte er wohl keine Österreicherin geheiratet, sondern sich etwa eine Deutsche oder eine Slowakin gesucht.“ Dammy nickt. Der Nigerianer studierte in seiner alten Heimat Betriebswirtschaft. In Maria Enzersdorf, NÖ, besucht er nun Deutschkurse. „Ich möchte wieder studieren“, sagt er.

Altersunterschied

Kennengelernt hat sich das Paar in Polen – dort lebt Afolabis Bruder. Vor zwei Jahren wurde in Nigeria geheiratet. „Ich hatte noch nie so eine harmonische Beziehung“, schwärmt Werhonnig. Und das, obwohl ihr Mann um zehn Jahre jünger ist. „Ich habe ihm ein Jahr lang gesagt, dass das ein völliger Schwachsinn ist“, lacht sie. Doch der Afrikaner ließ nicht locker. Das machte sich bezahlt.

„Er hilft viel im Haushalt, ihm sind gesundes Essen und Sport sehr wichtig.“ Werhonnig, die freiberufliche Krankenschwester, schätzt das. Wenn sie persönlich auch ganz anders gestrickt ist. „Ich mag das österreichische Essen und rauche. In Nigeria haben die Menschen eine ganz andere Einstellung. Sie versuchen, Krankheiten zu vermeiden, anstatt sie zu behandeln.“

Sie hat das Land ihres Mannes schätzen gelernt. Und schüttelt über die heimischen Behörden den Kopf. Hürden wie eine gewisse Größe des Wohnraumes und ein gemeinsames Mindesteinkommen belasten den Alltag. „Da heißt es arbeiten, arbeiten, arbeiten“, schildert Werhonnig. Denn Fehler darf sich das Paar nicht erlauben – Die Aufenthaltserlaubnis des Nigerianers wird immer nur befristet verlängert.

Das nächste Ziel hat sich das Paar bereits gesteckt: Afolabi macht jetzt den österreichischen Führerschein. Und dann wird übersiedelt – nach Wien.

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